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Landeshauptstadt: Fußball gucken kostet jetzt ein Bier

Weil der Umsatz nicht stimmt, gibt es Einlass zur Public Viewing Area nur beim Kauf eines Verzehrbons

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Innenstadt - Trotz aller Euphorie fühlt sich so mancher Fußballfan seit Dienstag vors Schienbein getreten, wenn er die Public Viewing Area am Brandenburger Tor besuchen will: Am Einlass sind drei Euro für einen Verzehrbon zu zahlen. „Konfliktpotenzial“ machte deshalb Potsdams Polizeichef Ralf Marschall aus. Nun, zu Tumulten und Handgreiflichkeiten kam es nicht. Doch wer die Einlassbedingungen nicht akzeptieren und dennoch auf den Platz wollte, wurde forsch und bestimmt abgedrängt. Wer nicht zahlt, darf nicht rein – so die Anweisung an das Sicherheitspersonal. Selbst die einfache Passage des Areals ist an diese Bedingung gebunden. Nicht alle sind dazu bereit, kehren dem Tor missmutig den Rücken und fragen, ob das rechtens sei.

Ist es. Bei der Möglichkeit, am Brandenburger Tor Spiele der Fußball-WM zu gucken, handelt es sich um eine „Kommerzielle Öffentliche Vorführung“, wie es im offiziellen Sprachgebrauch der Infront Sports & Media AG heißt. Das Schweizer Unternehmen vermarktet die Fifa-Rechte für öffentliche Übertragungen und unterscheidet dabei zwischen nicht-kommerziellen und kommerziellen Veranstaltungen. Für letztere bedarf es einer Lizenz. „Die haben wir erworben“, betont Gerd Helinski, Geschäftsführer von Heliconcept, dem Veranstalter der Potsdamer Fanmeile. Dass die Gastronomie-Gutscheine „versteckter Eintritt“ seien, weist er vehement zurück. „Das sind Verzehrbons“, betont er. Bei Infront Sports & Media werden Verzehrbons, die ausdrücklich erwähnt und erlaubt sind, „indirektes Eintrittsgeld“ genannt.

Die ersten anderthalb Wochen war ein komplett freier Zugang zur Public Viewing Area am Brandenburger Tor möglich. Doch beklagten die Gastronomen, dass nur etwa die Hälfte der Gäste für Umsatz an den Imbiss- und Getränkeständen oder in den Cafés sorgt. So hätten die Händler nicht kalkuliert, sagt Helinski. Schließlich müssten sie die Kosten, die sie zur Finanzierung der Fanmeile mittragen, wieder einspielen. 300 000 Euro, so Helinski, sind für Miete und Technik zu zahlen, allein der Großbildschirm kostet 100 000 Euro. Einen nicht unwesentlichen Anteil tragen die Gastronomen. „Diese Leistung muss honoriert werden“, so der Veranstalter. „Aber die Händler stöhnen, dass viele Leute das schöne Ambiente genießen, aber nichts kaufen.“ Unternehmerisches Risiko? „Sicher“, so der Veranstaltungschef, „aber das verpflichtet auch zum Handeln.“ Und so habe man sich mit der AG Innenstadt (Agip), dem Auftraggeber von Heliconcept, beraten und sich auf den Verkauf der Verzehrbons am Einlass verständigt.

Wolfgang Cornelius, Chef der AG Innenstadt, wirbt um Verständnis für die drei Euro teure Animation zum Essen und Trinken: Wenn der Umsatz nicht stimme, werde die WM für die Gastronomen zum Verlustgeschäft. Durch den Verkauf der Bons könne man gewährleisten, dass die Gäste, die nur zum Fußballschauen gekommen sind und kein Geld ausgeben wollen, „herausgefiltert“ werden, wie Helinski es nennt. „Unsozial“ findet Agip-Chef Cornelius die Aktion ohnehin nicht. Denn „drei Euro müsste es den Fans schon wert sein“. Wer die nicht zahlen wolle, könne sich die Spiele ja auch woanders angucken. Auch Cornelius will nicht von Eintritt sprechen: Der Bon werde ja „voll vergütet“.

Zum letzten Vorrundenspiel der deutschen Nationalmannschaft am Dienstag, als das Einlassverfahren auf diese Art und Weise zum ersten Mal praktiziert wurde, „hatten wir nur die Leute hier, die Fußball auch bei einem Bier genießen wollten“, sagt Helinski. Der Platz war voll, „niemand hat sich über die drei Euro beklagt“.

Alle vier Gastronomen am Platz seien mit dem Verkauf von Verzehrbons einverstanden gewesen. Deshalb ließen sie sich nicht nur an den vom Schloss Diedersdorf betriebenen Ständen einlösen, sondern auch im „Gastmahl des Meeres“, im Café Babette und im Eiscafé Gelateria.

Peter Könnicke / Juliane Wedemeyer

Peter Könnicke, Juliane Wedemeyer

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