Landeshauptstadt: Gang nach Genf
Potsdamer Anwalt zieht vor UN-Menschenrechtsrat
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Potsdam/Genf - Für die 1992 enteigneten Erben von Bodenreformland in Ostdeutschland erscheint ein Hoffnungsschimmer am Horizont: Der Potsdamer Rechtsanwalt Thorsten Purps will die Bundesrepublik Deutschland vor dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (UN) in Genf anklagen. In einer Musterklage vertritt er eine Betroffene aus Frankfurt/Oder. Etwa 70 000 Besitzer von Bodenreformland waren unter der Regierung Helmut Kohls (CDU) 1992 entschädigungslos enteignet worden. Sie sind Erben der Neusiedler, die während der Bodenreform 1945 in der damaligen sowjetischen Besatzungszone unter der Parole „Junkernland in Bauernhand“ Ackerland erhielten.
„Der UN-Menschenrechtsrat kann Verstöße gegen die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen verbindlich feststellen“, erklärte Rechtsanwalt Purps gestern den PNN. Eine Verurteilung eines UN-Mitgliedsstaates sei zwar nicht gleichbedeutend mit einem „Vollstreckungstitel“, einem Gerichtsurteil, dass vollstreckt wird. Doch die politische Bedeutung sei immens. Der UN-Menschenrechtsrat könne mit „politischen Briefen“ die Staaten anhalten, die festgestellten Verstöße einzustellen oder durch Wiedergutmachung zu heilen. Man stelle sich vor, auf einer Liste, auf der Staaten wie Kuba und Iran aufgeführt werden, „kommt dann ein demokratisch legitimierter Sauberstaat wie Deutschland daher“, erklärt Purps.
Doch erst muss der Potsdamer Anwalt das Annahmeverfahren bestehen. Nimmt der UN-Menschenrechtsrat die Klage an, die Purps im Dezember oder im Januar einreichen will, wäre dies überhaupt das erste Mal, dass eine Klage gegen die Bundesrepublik in Genf Gehör findet. „Ich bin Berufspessimist“, sagt Purps, aber seinen Gang nach Genf sieht er mit Zuversicht entgegen. 2004 hatte ihm bereits die Kleine Kammer des Europäischen Gerichtshofes in Straßburg in einem einstimmigen Urteil Recht gegeben. Doch die Bundesrepublik ging in Revision und gewann 2005 in der Großen Kammer.
Das so genannte Modrow-Gesetz vom März 1990 sicherte das Bodenreformland für die Besitzer. Sogar im Einigungsvertrag wurden die Ergebnisse der Bodenreform festgeschrieben. Doch ein Bundesgesetz von 1992 zur „Abwicklung der Bodenreform“ sprach das Land den fünf neuen Bundesländern zu. Die Eigentümer hatten ihre Flächen laut Purps „einfach zu übereignen oder sie wurden verklagt“. In seiner Argumentation nutzt der Anwalt einen „Versprecher“ des Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer, der in einem Interview 2004 gesagt habe, die Enteignung war „ein Aspekt des internen Länderfinanzausgleichs“ – die Länderhaushalte sollten „aufgepeppt“ werden, erläutert Purps. Guido Berg
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