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Homepage: Gangs und Glamour

HFF-Absolvent Markus F. Adrian hat in Los Angeles einen Film über ehemalige Kriminelle im Problemviertel Watts gedreht

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Eine gute Autostunde. So weit liegen Glamour und Gangland, Starvilla und Sozialwohnung, Dinnerparty und Demonstrationen in Los Angeles auseinander. Markus F. Adrian und Anna Maria Hora sind die Strecke fast jeden Tag gefahren. Die beiden Absolventen der Potsdamer Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) haben drei Monate als Stipendiaten der Künstlerresidenz Villa Aurora im Nobelviertel Pacific Palisades gelebt. In dieser Zeit drehten sie einen Film über ehemalige Kriminelle im Problemviertel Watts im Süden von Los Angeles.

Zum Beispiel über den Steine-Stapler Kevin, einen Einzelgänger, der Felsbrocken mit bloßen Händen zu gigantischen Skulpturen stapelt. Oder Powerfrau Kelly Jo Minter, die sich nach einer langjährigen Schauspielerkarriere mit Rollen in Horrorstreifen wie „Nightmare on Elm Street“ als Handtaschendesignerin einen Namen gemacht hat. Oder den Rapmusiker Lil Drawz, der das harte Leben in Watts in seinen Liedern beschreibt.

„Diese Leute haben viel durchgemacht, aber sie wollen was machen aus ihrem Leben“, sagt Markus F. Adrian. Insgesamt zehn solcher „Lebens-Künstler“ hat der 31-jährige Regisseur gemeinsam mit seiner Frau und Kamerafrau Anna Maria Hora interviewt und im Alltag begleitet. Es sei eine „Mindblowing Experience“ gewesen, eine Erfahrung, die einen umhaut, erzählt HFF-Absolvent Adrian im Rückblick: „Dort zu sein, macht glücklich.“ Und das lag nicht nur an der spektakulären Unterbringung in der Villa Aurora, die früher der Exil-Wohnsitz des Schriftstellers Lion Feuchtwanger und seiner Frau Marta gewesen ist. „Es war ein bisschen wie im Museum“, sagt Markus Adrian und schwärmt vom Blick auf den Pazifik und vom historischen Heimkino mit eigener Orgel. Auch die sprichwörtliche Herzlichkeit der Amerikaner hat ihn begeistert: „Diese Freundlichkeit, auch wenn sie nur oberflächlich ist, verbessert die Lebensqualität“, ist der Regisseur überzeugt.

Dabei hat er bei seinen Touren durch Watts auch die „zweite Seite von L.A.“ kennengelernt, das Leben in Watts, wo fast nur Schwarze wohnen, die Arbeitslosigkeit hoch ist und sich rivalisierende Gangs schon mal eine Schießerei auf offener Straße liefern. Bereits in der ersten Woche in L.A. fuhr der Wahlberliner mit seiner Frau in das Problemviertel, um dort an einer Gedenkdemonstration für erschossene Jugendliche teilzunehmen. „Das war kirchlich organisiert, deswegen hatten wir keine Angst“, erzählt er.

Als fast einzige Weiße hinterließen die beiden Deutschen Eindruck bei den Einwohnern. „Als wir einen Tag später wieder im Viertel unterwegs waren, sind wir angesprochen worden: Ich kenn Euch doch“, erinnert sich Markus Adrian. So lernten sie den Rapper Lil Drawz kennen und drehten schon wenige Tage später ein Musikvideo mit ihm, das mittlerweile auf der Internetplattform Youtube zu sehen ist. „Das war unser Einstieg in dieses Viertel“, sagt Markus Adrian.

Danach ergab ein Kontakt den nächsten: „Jeder kannte immer irgendjemanden, der früher kriminell war und jetzt Kunst macht“, erzählt der Regisseur, dessen HFF-Diplomfilm „Narrenspiel“ beim Filmfest München ausgezeichnet wurde. Sein neues Thema hatte er auf einem ersten Kurz-Besuch in Los Angeles 2009 gefunden: Bei der Reise – es war der Preis für den gewonnenen Wettbewerb „Shocking Shorts“ - traf Markus Adrian den Fotografen Jonas Mohr, der ein Buch mit Schwarz-Weiß-Porträts ehemaliger Krimineller veröffentlicht hat. Wie sie sich mit der Kunst wieder auf die richtige Seite retten konnten, ihr Leben in den Griff bekommen haben, beeindruckte den Regisseur: „Ich wollte einen Film darüber machen, wie aus Gewalt Kunst werden kann“, sagt er.

Wenn er von den drei Monaten in Los Angeles erzählt, sieht man ihn förmlich in einer Art traumwandlerischem Schaffensrausch: „Das war eine unglaublich intensive Zeit“, sagt er. Fast jeden Tag fuhr Adrian mit seiner Frau im alten schwarzen Nissan nach Watts, zum Dreh, für Interviews. Umso unwirklicher scheinen die wenigen Tage, an denen 100 Prozent Hollywood angesagt war. Am Abend vor der Oscar-Preisverleihung zum Beispiel, als die beiden Babelsberger beim Empfang im Garten der Villa Aurora unter anderem Regisseur Michael Haneke („Das weisse Band“), Erfolgsproduzent Bernd Eichinger („Der Untergang“) und Schauspieler Thomas Kretschmann („Operation Walküre“) trafen.

Reales Produkt des dreimonatigen Aufenthalts sind gut 20 Stunden Rohmaterial, die nun zu einem Film geschnitten werden wollen. Der Titel stehe schon fest, sagt Adrian: „After The Violence“, Nach der Gewalt, soll die Dokumentation heißen. Eine Fassung davon werde auf jeden Fall in der Villa Aurora gezeigt, auch im Fernsehen will der Regisseur den Film gern sehen: „Wir suchen noch Partner und Redaktionen.“

Die Arbeit in Watts habe ihm auch Mut für seinen eigenen weiteren Weg als Künstler gemacht,: „Das war wie eine Bestätigung: wenn du Mensch bist, darfst du auch Künstler sein.“ Jana Haase

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