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Landeshauptstadt: Gänse und Geschenke

Mehr als 600 Gäste bei der dritten Weihnachtsfeier der Arbeiterwohlfahrt für Obdachlose und sozial Bedürftige im Dorint Hotel

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„Ich freue mich über alles“, sagt Lothar. Gerade hat er einen Beutel mit ein paar Weihnachtsgeschenken bekommen. Die gab es am gestrigen Mittwoch für die Gäste der Weihnachtsfeier der Arbeiterwohlfahrt (AWO) im Potsdamer Dorint-Hotel. Eingeladen waren etwa 600 sozial schwache und obdachlose Menschen aus Potsdam und Umgebung. Darunter auch etwa 130 Kinder.

Lothar wühlt in seinem Geschenkbeutel: Ein Schokoladenweihnachtsmann kam zum Vorschein, ein Paar Socken, ein Duschbad. Für Geschenke soll man dankbar sein, meint der 60-Jährige. Sie seien keine Selbstverständlichkeit. Dass er es in seinem Leben nicht leicht gehabt hat, sieht man ihm an. Als Kind musste er mit ansehen, wie sein Zwillingsbruder bei einem Autounfall umkam. Nach der Wende kam der Dachdecker immer schlechter zu recht, verlor die Arbeit und später auch seine Wohnung in Babelsberg. Seit zwei Jahren lebt er im Obdachlosenheim. „Dort kenne ich alle Betreuer und den Hausmeister. Mit denen komme ich gut klar“, sagt Lothar, der als junger Mann Judo als Leistungssport betrieben hat. Er nestelt an seinem karierten Hemd. An die vielen Menschen im Saal des Dorint Hotels muss er sich erstmal gewöhnen.

Besonders für die Kinder ist mit dem Verteilen der Geschenke der Höhepunkt der Feier erreicht: Gespannt öffnen Deniz und Benjamin ihre Päckchen. Die Kinderversion eines bekannten Brettspiels und ein Ball sind drin. Deniz fängt gleich an ihn aufzupusten. Schwesterchen Leonie freut sich daneben über ihre neue Puppe.

Die Geschenke für große und kleine Gäste hat die AWO dank der Hilfe vieler Menschen verteilen können. In den letzten Wochen haben unter anderem die Kita-Kinder und ihre Erzieherinnen in den Kindertagesstätten der AWO Weihnachtssterne gebastelt. Diese wurden dann von Mitarbeitern und Azubis der AWO auf den Weihnachtsmärkten verkauft. Banken, Firmen und Privatpersonen überwiesen Spenden. So kamen am Ende mehr als 17 000 Euro zusammen. Hotelchef Stefan von Heine stellte den Saal in diesem Jahr zum dritten Mal zur Verfügung und zahlreiche Hotelangestellte halfen in ihrer Freizeit mit und bedienten die Gäste.

Als Weihnachtsessen stand ganz klassisch Gänsekeule auf dem Speiseplan. 600 Stück davon mit 1500 Klößen und allerlei Beilagen bereitete die Hotelküche zu. Für von Heine eine Ehrensache: „Unser Beruf ist die Gastfreundschaft. Und wir möchten auch jenen ermöglichen, so einen Tag zu genießen, die das sonst nicht können.“ Eigentlich für die Kinderbetreuung gedacht, erwarteten in der Hotellobby zwei der Potsdamer Klinik-Clowns den Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) und rollten ihm einen – wenn auch kleinen – roten Teppich aus. Außerdem kümmerten sich Erzieherschüler der Fachschule für Sozialwesen um die jüngeren Gäste im Kinderspielraum.

Noch etwas zu klein für den Kinderspielraum war die einjährige Jana. Während im Saal der Chor der AWO bei seinem Premierenauftritt Weihnachtslieder sang, hielt Papa Torsten sie auf dem Arm. Auch er war bis vor kurzem obdachlos. Nachdem er in Österreich gearbeitet habe, sei er überstürzt nach Potsdam zurückgekommen, um sich um seine kranke Mutter zu kümmern. Ohne Arbeit wurde das Geld bald knapp und er musste ins Obdachlosenheim. Später lebte er mit Frau und Kind im Familienhaus. Dass sie seit zwei Monaten wieder eine eigene Wohnung haben, sei eine große Erleichterung, sagte der 30-Jährige. Über die Einladung zur Feier habe sich die junge Familie sehr gefreut. Selbst könne man sich nicht so viel leisten.

Auch Rentnerin Ingrid war aus diesem Grund gekommen und freute sich besonders, ein paar neue Leute kennenzulernen. Sie ist zum ersten Mal bei der AWO-Weihnachtsfeier. Wenn sie im nächsten Jahr wieder eingeladen wird, will sie wieder kommen. „Hier kommt man sonst nicht hin“, sagt die Waldstädterin und schaut in den Saal des Vier-Sterne-Hotels.

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