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DASwar’s: Gänseblümchen und Erbsensuppe

Über Fußball muss ich hier nicht reden. Ist alles gesagt und geschrieben worden die letzten Wochen.

Stand:

Über Fußball muss ich hier nicht reden. Ist alles gesagt und geschrieben worden die letzten Wochen. Und nach vergangenem Dienstag ist ohnehin jedes Wort ungemessen.

Was sollte ich auch erzählen? Dass Gino, der Barkeeper der Sportsbar in der Zeppelinstraße, jeden freien Zapf-Moment nutzt, um auf den Bildschirm zu schauen und je nach Gemütslage und Spielstand herrlich zu wüten oder zu jubeln? Wenn Gino kein Barkeeper wäre, wäre er bestimmt ein guter Bundestrainer. Am Dienstag, als es um 22.21 Uhr 5:0 stand, sah ich Gino den Rest des Abends nur noch beflissen Gläser füllen.

Oder von meinem abgewandelten Gänseblümchen-Tick? Statt je abgerupftem Blütenblatt zu fragen, ob sie mich liebt oder nicht, legte ich beim Warten an der Ampelkreuzung fest: Wenn das letzte Auto, das die Kreuzung passiert, mit einem schwarz-rot-goldenem Utensil dekoriert ist, gewinnen wir. Wenn nicht, verlieren wir. Unentschieden gibt es bei meiner Orakelei nicht.

Oder von Jupe, meinem Laufkumpel? Italiener Er spricht schon seit zwei Wochen nicht mehr über Fußball, stattdessen tauschen wir beim Laufen Kochrezepte aus und zumindest in meiner Vorstellung kenne ich inzwischen die schönsten und einsamsten Strände Sardiniens.

Oder von meinem Lauftraining am Tag, als Deutschland gegen die USA spielte und ich vorher gefragt hatte, ob denn überhaupt jemand zum Training kommen will. Es wurde gewollt. Es kamen zehn Frauen, ein Mann und ich – und ich fühlte mich ein bisschen wie eine Mischung aus Bernd Schröder (Frauenfußballtrainer) und Jürgen Drews (Schlagersänger).

Oder von meiner Begegnung am Mittwoch beim Fleischer in der Brandenburger Straße, bei dem ich zum Mittag eine Linsensuppe gegessen hatte und plötzlich gefangen war, weil es draußen wie aus Eimern goss. Meine Mit-Insassen waren ein junges Pärchen mit Erbsensuppe und eine Frau ohne Schirm. Hinter der Theke standen zwei Wurstverkäufer und ich fragte mich, warum ich ausgerechnet zum Fleischer gegangen war, wo ich doch gerade teste, wie es ist, vier Wochen lang kein Fleisch zu essen. In meiner Not kaufte ich einen Kaffee, voller Zuversicht einen „Coffee to go“, als mich einer der beiden Wurstverkäufer als pflichtbewusster Gastgeber fragte: „Und, wer gewinnt heute? Holland oder Argentinien?“ „Ich kann es nicht sagen“, meinte ich. „Ich hoffe Argentinien.“ „Holland!“, rief der junge Mann in der Pause zwischen zwei Löffeln Erbensuppe. „Haben die da drüben bei Tchibo Regenschirme?“, fragte die Frau ohne Schirm.

Soll ich schreiben, dass ich mich geirrt habe, als ich vor vier Wochen hier geschrieben hatte, dass Deutschland nicht Weltmeister wird?

All das könnte ich erzählen, wenn ich hier Platz hätte und wenn ohnehin nicht schon alles über Fußball gesagt wäre.

Peter Könnicke ist freier Journalist und arbeitet als Lauf- und Fitnesstrainer in Potsdam.

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