zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Gänsehaut und Schmalzschnitten

Im Babelsberger „Thalia“ erlebte Potsdams Fußball-Familie vor der Leinwand noch einmal bewegende WM-Tage

Stand:

„Steuersatz senken“, hauchte Bastian Schweinsteiger grinsend in die Kamera, als die Bundeskanzlerin vor der diesjährigen Weltmeisterschafts-Endrunde der deutschen Fußball-Nationalmannschaft im Berliner Schlosshotel ihre Aufwartung machte – und Potsdams Fußball-Familie grinste am Donnerstagabend mit. Grinste vor großer Kinoleinwand und bekam mitunter auch eine Gänsehaut bei Szenen des neuen Sönke-Wortmann- Films „Deutschland. Ein Sommermärchen“, zu dem Thomas Bastian sie eingeladen hatte.

In Thomas Bastians Brust schlagen zwei Herzen – das des Unternehmers und das des Fußball-Fans. Am Donnerstagabend durften sie im Gleichklang schlagen, als der Geschäftsführer des Babelsberger Thalia-Kinos in seinem Haus Vertreter des SV Babelsberg 03 und des FFC Turbine Potsdam begrüßte. „Wir wollten so eine gemeinsame Veranstaltung für die beiden Fußballvereine, die das Leben in unserem Stadtteil bereichern und eine tolle Jugendarbeit leisten, schon lange mal machen“, begründete der 46-Jährige seine Offerte. „Wir haben gewartet, bis ein entsprechender Film dazu da ist.“

Das war mit Wortmanns Dokumentarfilm – mit 106 Minuten so lang wie ein Fußballspiel plus Halbzeitpause – nun der Fall. Die beiden Vereine hatten ihre 350 Freikarten an Aktive, Ehrenamtliche, Sponsoren und Fans ihrer Wahl verteilt, und nur wenige Plätze blieben am Donnerstagabend unbesetzt. Turbine-Spielerinnen der ersten bis dritten Mannschaft nahmen bei Chips und Cola ebenso Einblicke in das Innenleben der deutschen WM- Fußballer wie ein Großteil der Babelsberger Oberliga-Kicker sowie Fans und Sponsoren. Gesichtet wurden auch Ex-Nulldreier wie Hendryk Lau und Heiko Bengs, der gemeinsam mit Schauspielerin Doreen Jacoby erschien.

So bunt die Besucherschar, so unterschiedlich war auch die Resonanz auf die über die Leinwand flimmernden Erinnerungen an bewegende Weltmeisterschafts-Tage. Während beispielsweise SVB-Geschäftsführer Ralf Hechel „einen wunderbaren Werbefilm für Herrn Klinsmann“ in Erinnerung behielt, fand es Turbine-Stürmerin Isabel Kerschowski „hochinteressant, mal zu sehen, wie es während der WM hinter den Kulissen zuging“. Nulldrei-Torwart Carsten Busch wollte Oliver Kahns im Film geäußerte Meinung „Bei Torleuten ist es eher nicht so der Fall, dass sie Freunde sind“ für sich nicht gelten lassen. „Zwischen ihm und Jens Lehmann mag das sein, ich selbst komme mit unseren beiden anderen Torhütern gut aus“, erklärte der 26-Jährige. Stürmer Aymen Ben-Hatira nahm die Erkenntnis mit, „dass man sich immer noch mehr motivieren kann“, und Franziska Hagemann vom Zweitligisten Turbine II fand am Film „einfach cool, mal zu sehen, wie es in dort in der Kabine zuging und wie Klinsmann seine Mannschaft vor den Spielen ansprach“. Schweinsteiger allerdings, „von dessen Spielweise ich mir gern etwas abgucke“, habe „ein bisschen viel in die Kamera gelabert“, meinte sie.

Thomas Bastian hofft, „dass der Film vielleicht auch ein bisschen von der WM-Euphorie in die Vereine trägt“. Der Kino-Chef selbst konnte sich den Streifen bisher nicht in Gänze anschauen, denn während seine Gäste noch einmal die Tage im Juni/Juli erlebten, bereitete er mit seinen Mitarbeiterinnen, die eifrig Schmalz- und Leberwurstschnitten fürs Buffet schmierten, draußen im Foyer das so genannte „Get Together“ nach dem Film vor. Auch diese Einladung wurde von vielen Besuchern dankend angenommen, zumal die Kindl-Brauerei 150 Liter Rex-Freibier spendierte. Da diskutierten Fußballer, Fans und Förderer noch eifrig, während Szenen aus SVB- und Turbine-Spielen über eine Großbildleinwand flimmerten. Turbine-Trainer Bernd Schröder lobte: „Eine tolle Sache, dass das Thalia diesen Abend ermöglichte.“ Sein Nulldrei-Kollege Rastislav Hodul schwelgte: „Diese WM-Tage waren wirklich ein Traum. Irgendwie habe ich mich auch ein bisschen wiedergefunden, denn auch wir wollen in unserem Fußball etwas erreichen.“ Und Potsdams neue Abwehrspielerin Stefanie Draws erzählte später: „Die Idee dieses Abends war sehr schön. Die meiste Gänsehaut hatte ich, als die Spieler nach der Niederlage gegen Italien völlig fertig in der Kabine saßen. Dieser leere Blick – dieses Gefühl kennen wir ja auch selbst.“

Fans besäßen ebenfalls eine gewisse Leidensfähigkeit, erzählte Thomas Bastian, selbst seit fünf Jahren als Zuschauer bei fast jedem Heim- und Auswärtsspiel des SVB dabei und seit etwa einem Jahr Mitglied des Nulldrei-Aufsichtsrates. Am Donnerstagabend aber lief er mit strahlendem Gesicht durchs Foyer. „Wir haben zeigen können, dass wir als ein Haus für Begegnungen mehr sind als einfach nur ein Kino. Alle meine Erwartungen haben sich erfüllt“, erzählte er. Auch hinsichtlich der FIFA-Spendenaktion „Sechs SOS-Kinderdörfer für 2006“: 894 Euro ließen Bastians Gäste springen, das „Thalia“ erhöhte die Summe auf 1200 Euro. Auch ein Sommermärchen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })