Von Richard Rabensaat: Ganz sicher in die Zukunft
Uni Potsdam und das Fraunhofer Institut für Polymerforschung entwickeln neue Sicherheitstechniken
Stand:
Rot, gelb, grün und blau glüht es in den Glaskolben. Die merkwürdig schimmernden Flüssigkeiten bestehen aus „leuchtenden Polymeren“. Sie sind die Substanz, um die derzeit die Entwicklerfantasien der Forscher am Potsdamer Fraunhofer Institut für Angewandte Polymerforschung (IAP) kreisen. Die Eigenschaften von Polymeren erforschen die Wissenschaftler zusammen mit denen der Universität Potsdam. Ihre Erkenntnisse finden Eingang in das Projekt „Sichere Identität“. Ziel des Großprojektes von fünf Fraunhofer-Instituten, fünf Hochschulen und mehreren Wirtschaftsunternehmen ist es, Ausweisdokumente zur „eindeutigen und unverfälschten Identität in der realen und der digitalen Welt“ herzustellen.
Hierbei könnte auch die Potsdamer Polymerforschung helfen. Polymere sind Verbindungsketten, die aus einer großen Anzahl von gleichartigen Gliedern, Molekülen, bestehen. Die meisten Kunststoffe bestehen aus Polymeren. Die nützlichen Eigenschaften der kleinteiligen Molekülketten beschränken sich nicht darauf, den Grundstoff für Einkaufstüten und Farbeimer zu liefern, sie leuchten auch. „Wir suchen nach der ,spektralen Identität’ der Polymere,“ erklärt Hans-Gerd Löhmannsröben vom Institut für Chemie bei der Universität Potsdam. Der Forscher möchte herausbekommen, wie genau die Miniteilchen leuchten. „Rote und grüne Pixel halten bereits weit über 10 000 Stunden durch, nur blaue Pixel verblassen derzeit noch schneller,“ konstatiert Armin Wedel vom IAP Potsdam.
Damit Polymere bei der Herstellung von Dokumenten und Beglaubigungen verwendet werden können, muss genau feststehen, wie lange die Teilchen leuchten, wie sich das Licht möglicherweise mit der Zeit verändert und auch wie sich am besten Verbindungen mit anderen Stoffen herstellen lassen. Letztlich sollen dann „innovative Nanokomposite und Quantenpunkte“ entwickelt werden, die in Minichips von flexiblen Reisepässen, Personalausweisen und anderen Dokumenten eingebracht werden. Eine Fälschung von Sicherheitsdokumenten wie dem Personalausweis werde dann fast unmöglich, verkünden die Techniker. „Früher reichte es, wenn sich ein Fälscher mit Papier, Farbe und Drucktechniken auskannte. Künftig müsste er eigentlich Informatiker, Chemiker, Physiker und noch vieles mehr sein“, stellt Ulrich Hamann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Bundesdruckerei GmbH, fest. Die digitalen Papiere sollen durch die Polymere fälschungssicher werden. Wie das funktionieren kann, überprüfen die Forscher vom Fraunhofer Institut in einer gemeinsamen Initiative mit der Bundesdruckerei GmbH, dem „SecurityLab Potsdam“.
Die fälschungssichere, allgegenwärtige, vielseitig verwendbare ID-Card ist das erklärte Ziel der Sicherheitstechniker. Die Chipkarte soll am besten auch noch ins Internet eingelesen werden können und den Inhaber flugs zu einem virtuell agierenden Avatar machen, der reibungslos durch die digitalisierten Informationsnetze gleitet. In Zeiten, in denen immer mehr Menschen mobil sind, in unterschiedlichen Ländern arbeiten, reisen und sich vielfach ausweisen müssen, kann eine schnelle Identifizierung wünschenswert sein. Auf der anderen Seite steht allerdings das Verfassungsrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Dass die Verwirklichung auch der letzten realisierbaren Kontrollfantasie zur Verunsicherung von grundrechtsbewussten Bürgern führen kann, weiß auch Jörg Krüger, der Geschäftsführer des Innovationsclusters: „Wir fragen uns natürlich wie die Gesellschaft auf unsere Pläne reagiert und ob es die notwendige Akzeptanz in der Bevölkerung gibt.“ Weil sich die Wissenschaftler nicht so ganz sicher sind, ob sich auch wirklich alle Bürger für ihre Identifizierungspläne begeistern, gibt es eine sozialwissenschaftliche Begleitforschung zu dem Projekt „Sichere Identität“ an der Humboldt Universität. An Meldestellen soll künftig Technik zur Verfügung stehen, mit der die Chips gelesen werden können. „Was ist in dem Chip drin? Bin ich das? Das sind Fragen, die sich der Bürger stellen wird und die wir beantworten müssen“, so Hans-Jörg Bullinger der Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft.
Aber nicht nur für den Chip auf der ID-Card können die Polymere verwendet werden. In Displays von Kühlschränken, Staubsaugern, Waschmaschinen oder auch als Etiketten von Kleidung und Nahrungsmitteln können die neuen Polymermaterialien Verwendung finden. Als Organic Light Emitting Diodes (OLED) wären sie den herkömmlichen Kennzeichnungen überlegen, da sie aus jedem Winkel gut ablesbar seien. Die Leuchtstoffe könnten auf flexiblen Folien oder auf aufrollbaren Bildschirmen untergebracht werden, die in jede Jackentasche passen. Und letztlich würden sie erheblich weniger Energie benötigen als herkömmliche Displays.
Richard Rabensaat
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: