Landeshauptstadt: Gartenparty im Grottensaal
Ab heute ist im Marmorpalais eine historische Festtafel gedeckt
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Der sonst spärlich möblierte Grottensaal im Marmorpalais strahlt seit gestern in ungewohntem Glanz. In seiner Mitte ist eine Festtafel für zwölf Personen aufgebaut, deren buntes Porzellan und silbernes Tafelgerät sich in den Wandspiegeln vervielfachen. Für diese Attraktion hat erneut Dr. Samuel Wittwer gesorgt, der Kustos der keramischen Sammlungen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Seit der gebürtige Schweizer 2000 an die Havel kam, bietet er den Besuchern immer einmal im Jahr solch eine Augenweide.
Diesmal also im Marmorpalais. Eigentlich war das Service, das von Friedrich Wilhelm II. 1796 bei der Berliner Königlichen Porzellanmanufaktur (KPM) bestellt wurde, für „Gartenpartys“ bestimmt. In ungezwungener Runde bewirtete der Herrscher dabei Familienbesuch und andere Gäste im Freien oder unter Zelten, 100 und mehr Personen. Das dafür verwendete Service bestand aus 560 Teilen, darunter 192 Teller. Außerdem wurde ein 136-teiliges Dessertservice angefertigt. Die Hohenzollern waren von der Form und dem bescheiden anmutenden edlen Dekor aus Feldblumen so angetan, dass sie bis zum Ende der Monarchie immer wieder Stücke nachbestellten, denn bei den Gartenfeiern ging auch einiges zu Bruch. Außerdem wurden Services gleichen Musters für die Königin und für das Berliner Stadtschloss geliefert. Natürlich bestand solch eine Festtafel nicht nur aus Geschirr. Die damals eingeführte russische Art des Servierens, bei der die Speisen in schneller Folge auf dem Teller aufgetragen wurden, ersparte Schüsseln und ließ in der Mitte der Tafel Platz. Dort stand ein Aufsatz, der mit Puttos, Leuchtern und Schalen für Früchte und Konfekt geschmückt wurde.
Solch ein Tafelaufsatz aus der Zeit Friedrich Wilhelms II. findet sich in der Sammlung der Stiftung leider nicht, aber das stellte für Samuel Wittwer kein Hindernis dar. Nach einem Vorbild aus Schloss Eisenstadt bei Wien fertigte er selbst ein silbern glänzendes Spiegeltableau an. Die Seiten sind mit kleinen grünen und rötlichen Porphyrplatten ausgekleidet, die der Kustos gemeinsam mit Steinbildhauer Stefan Klappenbach ausgesucht hat. Auf dem Tafelaufsatz liegen Putten aus nach dem Brennen unbehandelten Biskuitporzellan, wie sie von keinem Geringeren als Schadow sowie von Ginelli für solche Zwecke entworfen wurden. Die Silberleuchter wurden um 1800 in Augsburg angefertigt. Prunkstück ist jedoch eine große Silberterrine, die nach jahrzehntelangem Schlaf im Depot durch Studenten der Potsdamer Fachhochschule restauriert wurde. Der Festtafel sind zwei Buffets zugeordnet, auf denen Weingläser und Bestecke auf ihre Verwendung warten. Auch sie hat Samuel Wittwer dem historischen Vorbild folgend reich geschmückt, so durch bunte Porzellanfiguren aus der Zeit Friedrichs des Großen, die die Künste allegorisieren. Sie stammen aus der einstigen Silberkammer des Potsdamer Stadtschlosses.
Was die Speisefolge bei den königlichen Gartenfesten betrifft, musst Dr. Wittwer sensationelle Erwartungen enttäuschen. Aufgetischt wurde Fleisch vom Rind, Schwein, Wild und Geflügel, dazu entsprechende Beilagen. Bei Gemüse und Obst gab es allerdings schon Besonderheiten, die in den königlichen Fruchttreibereien herangezogen wurden. Egal ob roter oder weißer, der Wein wurde damals aus gleich großen und geformten Gläsern getrunken, und das Besteck beschränkte sich auf Messer – Gabel – Löffel.
Samuel Wittwer legt alljährlich all seine Leidenschaft und seine Kenntnisse in eine glanzvolle Gestaltung der Festtafel, wie sie auch im Marmorpalais wieder eindrucksvoll gelungen ist. Ansonsten kann er nämlich die aus etwa 4000 Stücken bestehende, vom 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert reichende Porzellansammlung der Stiftung Schlösser und Gärten – die bedeutendste Europas – nirgendwo der Öffentlichkeit präsentieren. Das soll sich aber ändern. Der seit Jahren diskutierte so genannte Masterplan für Schloss Berlin-Charlottenburg sieht als Dauerausstellung auch die Einrichtung einer Hoftafel- und Silberkammer vor.
„Zu Gast bei Friedrich Wilhelm II.“ – Sonderausstellung eines Services aus edlem Berliner Porzellan im Grottenssaal des Marmorpalais. Bis 15. Oktober 2006 täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr geöffnet.
Erhart Hohenstein
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