Landeshauptstadt: Gäste aus dem Paradies
Zwölf Kinder von der Südsee-Insel Atiu verzaubern mit ihren Tänzen den Klein-Glienicker Bürgershof
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Zwölf Kinder von der Südsee-Insel Atiu verzaubern mit ihren Tänzen den Klein-Glienicker Bürgershof Der Himmel scheint nicht mehr ganz so grau, die Luft nicht mehr ganz so kühl, und das Wasser der Glienicker Lake – schimmert es nicht ein wenig türkis? Es ist der Zauber der Südsee, der an diesem Donnerstagabend mitten im Potsdamer Nicht-Sommer den Klein Glienicker Bürgershof zu einer tropischen Oase macht. Trommelklänge schallen über den See, immer schneller wird ihr Rhythmus, immer schneller kreisen dazu die Hüften, fliegen die nackten Füße über den Sand, zucken die braunen Arme und Beine, blitzen die funkelnden Augen. Sechs Mädchen und sechs Jungen sind es, die auf einer kleinen freigeräumten Fläche zwischen den Bierbänken den Sommer herbeizaubern – die Tanzgruppe der Enuamanu-Schule auf der Insel Atiu der Cook Islands. Sie tragen keine Schuhe, ihre Röcke haben sie aus der inneren Rinde der Hibiskusbäume selbst hergestellt, und die Mädchen verhüllen ihren Busen mit den halbierten Schalen von Kokosnüssen. Begleitet werden die 13- bis 15-jährigen Kinder von einer fünfköpfigen Band, deren erwachsene Instrumentalisten voller Inbrunst die Texte zu ihrer Musik singen – sie huldigen Tangaroa, dem Hauptgott der Insel Atiu, einer Meerjungfrau, die zur Königin der Meere wird, oder schlicht ihrer eigenen Lebensfreude. Ins deutsche Sommer-Grau hat sie Jürgen Manske-Eimke gebracht – mit Hilfe der thüringischen Landesregierung. Denn die hat für die jugendliche Tanzgruppe die Hälfte der Flugkosten übernommen, und das eigentliche Ziel der Enuamanu-Schüler war auch nicht Potsdam, sondern das thüringische Zeulenroda. Dort haben die Cook-Insulaner die Herzen im Sturm erobert: Beim 2. Europäischen Hula-Festival gewannen sie den Gesamtpreis und die Publikumsauszeichnung, und ihr Können hat sich im halben Bundesland herumgesprochen. Schließlich hatte Manske-Eimke Auftritt in vielen Städten organisiert. Die Mädchen und Jungen von Atiu tanzten in Gera, Jena, Weimar, aber auch auf Fehmarn und in Stuttgart. Für fast alle von ihnen ist es die erste Reise weg von ihrer Insel – auf einen kühlen Kontinent. „Sie haben es alle sehr gut verkraftet, und wegen des Wetters ist auch keiner krank geworden“, sagt Manske-Eimke. Der 62-Jährige, den die Kinder nur „Papa“ nennen, ist für viele von ihnen wohl tatsächlich einer. „Sie waren alle noch nicht geboren, als ich auf die Insel kam.“ 21 Jahre ist das her, „1975 habe ich zum Glück den Absprung ins Paradies geschafft “, sagt der gebürtige Weimarer. Seitdem lebt Manske-Eimke auf Atiu, baut Kaffee an. „Es ist ein Land, in dem man das ganze Jahr mit drei T-Shirts und drei Shorts auskommt, in dem es immer genug zu essen gibt, ob man arbeitet oder nicht“, sagt er. „Das gibt einen Eindruck von der Lebensphilosophie.“ Allerdings will Manske-Eimke nicht nur seine Landsleute von der Südsee begeistern. „Es ist Wahnsinn, welche Erfahrungen die Kinder gemacht haben“, erzählt er. „Heute war ich mit ihnen in Sanssouci, sie haben so gestaunt.“ In Zeulenroda haben die Insulaner eine Woche bei Gastfamilien gewohnt und eine deutsche Schule besucht, und auch ins ehemalige Konzentrationslager Buchenwald ist Manske-Eimke mit ihnen gefahren. „Ich habe lange mit mir gerungen, doch es ist ein Teil unserer deutschen Vergangenheit.“ Finanzieren muss die Südsee-Truppe solche Fahrten meist selbst, und viele ihrer Auftritte – auch der in Potsdam – sind sogar kostenlos. „Das Geld ist nicht so wichtig“, sagt Jürgen Manske-Eimke. „Das allerwichtigste ist, dass wir zum Kulturverständnis beigetragen haben.“ Sabine Schicketanz
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