
© A. Klaer
Landeshauptstadt: Geblitzt auf der eigenen Baustelle
Der Prüfbericht zu Ex-IHK-Präsident Stimming ist fertig – und verheerend
Stand:
Es war einer dieser Wohlfühltermine für Victor Stimming. Er, damals noch angesehener Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK), sollte das Potsdamer Geoforschungszentrum ehren und als „anerkannten Ausbildungsbetrieb“ auszeichnen. Neben Vertretern der Stadt Potsdam und der Arbeitsagentur waren auch Journalisten zu dem Termin im Juli 2013 geladen. Damals brodelte es schon in der IHK Potsdam, der Unmut über den Kammerpräsidenten wuchs, es gab Gerüchte über den Mann, über Verschwendung, den herrischen Stil in der IHK, über seine Vorlieben für Luxus, schnelle, sportliche Autos und für seinen rasanten Fahrstil.
Die Szene damals am Geoforschungszentrum sagt viel über diesen Mann. Die geladenen Gäste versammelten sich am Eingang zum Geoforschungszentrum auf dem Telegrafenberg. Alle waren pünktlich, nur einer nicht: Victor Stimming. Nach etwa zehn Minuten brauste der Bauunternehmer aus Brandenburg/Havel heran, stieg aus seinem Auto und begrüßte auf seine charmante Art die Runde der Wartenden. Und gab auch gleich eine Anekdote zum Besten: Auf dem Weg nach Potsdam sei er gerade in eine Radarfalle gerauscht, und dass auch noch „an unserer Baustelle“. Stimming lachte, die Runde stimmte höflich mit ein.
Ja, Stimming fand derlei witzig. Er hatte kein Problem damit, es kostete ihn nichts. Weder das Auto noch die Strafzettel, stattdessen wurde alles von den Zwangsbeiträgen der Unternehmen in Brandenburgs größter Industrie- und Handelskammer beglichen. Zu diesem Schluss kommt der Bericht der Wirtschaftsprüfer, den die IHK nach Stimmings Rücktritt im Dezember 2013 in Auftrag gegeben hatte. Die Vorwürfe, die von RBB und PNN enthüllten Details in der Verschwendungsaffäre waren erdrückend. Der Bericht bringt nun das ganze Ausmaß zu Tage.
Stimming bekam nicht nur pro Jahr eine Aufwandsentschädigung von 30 000 Euro für sein Ehrenamt, was unüblich ist, sondern jedes Jahr einen neuen Luxuswagen, stets über einen Behördenrabatt von rund 40 Prozent geleast. Bereits als die IHK-Affäre im Herbst 2013 bekannt geworden war, bekam Stimming noch mal einen neuen Dienstwagen, einen Mercedes S500 4matic, Listenpreis 140 000 Euro. Die IHK trug nicht nur die Kosten für den sportlichen Wagen, sondern auch die Folgekosten. Die Wirtschaftsprüfer fanden heraus, dass die KfZ-Versicherung allein im Jahr 2011 Unfallschäden an Stimmings Wagen in Höhe von 36 000 Euro begleichen musste. Die Schadensquote der Versicherung stieg demnach enorm. Die Stückprämie für die IHK-Fahrzeugflotte musste angehoben werden und die Kammer musste im Jahr 2012 Mehrkosten von 3500 Euro verbuchen – nur für die Autoversicherung. Auch die Strafzettel wurden nach dem Ergebnis der Wirtschaftsprüfer über die IHK-Konten beglichen. Eine Summe von 1500 Euro ist in dem Bericht aufgelistet.
So viel zu Stimmings Vorliebe für Autos. In dem Bericht der Wirtschaftsprüfer geht es auch um die Frage, ob die Aufwandsentschädigung überhaupt rechtmäßig war. Es geht auch um die Rückstellung von 544 000 Euro, die das IHK-Präsidium 2012 auf Malta beschlossen hat, um Stimming eine – eigentlich für IHK-Präsidenten an sich unübliche – Pension finanzieren zu können. Es geht um verschiedene Versionen von Sitzungsprotokollen zu diesem Treffen, um Tricksereien für die Rücklage dieser horrenden Summe. Zudem fanden die Prüfer Ungereimtheiten beim Bau der IHK-Zentrale in der Breiten Straße. Stimming selbst hatte damals ein Beraterhonorar von 32 000 Euro kassiert. Sein Sohn bekam für den Bau eines Teils der Zentrale 6 Millionen Euro, 5,25 Millionen Euro waren vereinbart. Den Prüfern erschließt sich nicht, inwieweit dabei Nachträge für den Innenausbau und Mehrkosten abgerechnet wurden. Auch beim Bau der IHK-Außenstelle in Luckenwalde bekam Stimmings Baubüro ein Beraterhonorar: 19 000 Euro. Auf Basis von zwei Rechnungen vom Januar 2013 und August 2013 zahlte die IHK diesem Büro auch 70 000 Euro für die Projektsteuerung zur Sanierung der Villa Carlshagen in Potsdam. Nur Leistungsnachweise enthielten sie nicht, wie die Prüfer jetzt bemerkten. Und die IHK-Sekretärin, die in Stimmings Baufirma arbeitete, kostete die IHK über die Jahre 108 000 Euro.
Insgesamt summiert sich das alles auf rund 600 000 Euro. Die IHK Potsdam selbst will sich dazu erst am kommenden Mittwoch, nach der Vollversammlung der Kammer, äußern. Die Staatsanwaltschaft Potsdam, die gegen Stimming wegen Untreueverdachts ermittelt, will den Prüfbericht im Verfahren berücksichtigen.
Alexander Fröhlich (mit wik)
Alexander Fröhlich (mit wik)
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