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Landeshauptstadt: Gedenken im Keller der IR 9-Kaserne

Aktualisierte Dauerausstellung „Potsdam und der 20. Juli 1944“

Stand:

Aktualisierte Dauerausstellung „Potsdam und der 20. Juli 1944“ Einen würdigen Rahmen für die Ausstellung „Potsdam und der 20. Juli 1944“ bildet das Kellergewölbe der ehemaligen Hauptkaserne des Infanterie-Regiments 9. in der Henning-von-Tresckow-Straße. Im IR 9 dienten viele Verschwörer gegen Hitler, die nach dem missglückten Attentat ihren Einsatz für das Ende des Völkermordens mit dem Leben bezahlten. Stadthistoriker Hartmut Knitter führte gestern, am Vorabend des 60. Jahrestages des Hitler-Attentates, eine Gruppe Interessierter durch die wenigen Räume der Ausstellung, die das Potsdam Museum jetzt nochmals überarbeitet hat. Knitter hob besonders den geistigen Wandel, den die Widerständler durchgemacht hatten, hervor. So ist der Potsdamer Polizeipräsident Henry von Zitzewitz nach der „Machtergreifung“ der Nazis im Jahre 1933 durch den linientreuen SA-Führer Wolf-Heinrich Graf von Helldorf abgelöst worden. Elf Jahre später gehörte von Helldorf zu den Hitlergegnern und wurde hingerichtet. In zwei kleinen Räumen sind die Biographien von 25 Verschwörern, die mit Potsdam in Beziehung stehen, dargestellt und die Orte abgebildet, an denen sie lebten, wirkten oder zur Schule gingen. Sie alle starben aus dem selben Anlass, aber jeder hatte ein individuelles Schicksal. Zum Beispiel Car-Heinrich von Stülpnagel, der ab 1938 in der Hegelallee 5 wohnte. Ein Bild zeigt den General von hinten, bevor er in seinen Dienstwagen steigt. Vielleicht begab er sich gerade nach Lichterfelde zu Ludwig Beck, mit dem er sich geistesverwandt fühlte. Beck war einer der ersten, der nach dem Scheitern des Hitler-Attentates im Hof des Bendlerblocks in Berlin standrechtlich erschossen wurde. Wie Beck war Car-Heinrich von Stülpnagel, der zum Zeitpunkt des Attentats auf Hitler Militärbefehlshaber von Frankreich war, einer der Hauptverschwörer. Am 20. Juli 1944 ließ er die gesamte SS- und Gestapo-Führung in Paris verhaften. Sechs Wochen später wurde er, durch einen Selbstmordversuch erblindet, in Plötzensee gehenkt. Auch das letzte Foto von Stülpnagels mit seiner Familie im Potsdamer Haus zeigt die Ausstellung. Bis 1942 weilte er in Potsdam, um seine angeschlagene Gesundheit zu kurieren. Stülpnagels Frau lebte nahezu bis Kriegsende mit ihrer Tochter in der Hegelallee. Wie Letztere, Marie-Luise Ilsemann, vor Jahren den PNN mitteilte, sei sie und ihre Mutter 1944 von der Gestapo verhaftet und ins Potsdamer Frauengefängnis geworfen worden. Anfangs saß sie mit ihrer Mutter in einer Einzelzelle, später gemeinsam mit acht anderen Gefangenen in einem Raum, in dem sich lediglich vier Pritschen befanden. Im Potsdamer Gefängnis empfing Frau von Stülpnagel im September 1944 jenes Schreiben der Reichsanwaltschaft beim Volksgerichtshof mit der lapidaren Mitteilung: „Der ehemalige General Carl-Heinrich von Stülpnagel ist wegen Hoch- und Landesverrats vom Volksgerichtshof des Großdeutschen Reiches zum Tode verurteilt worden. Das Urteil ist vollstreckt.“ Der inzwischen verstorbene Rudolf Tschäpe, 1994 Stadtverordneter der Fraktion Neues Forum/Argus, führte einen Beschluss herbei, nach dem in der Hegelallee 5 eine Erinnerungstafel angebracht werden sollte. Vollzogen ist dieser Beschluss nicht. Die Biographien vieler Verschwörer, auch die von Carl-Heinrich von Stülpnagel, der den französischen Widerstand erbarmungslos verfolgt haben soll, ist nicht makellos – eine Erinnerung würde der Stadt dennoch gut anstehen. Günter Schenke

Günter Schenke

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