Die Wasserschutzpolizei in Potsdam: Gedränge auf der Havel
Die Wasserschutzpolizei hat in diesem Jahr mehr zu tun als 2015. Grund sind die vielen Freizeitskipper - die oftmals nicht die auf dem Wasser geltenden Regeln kennen.
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Potsdam - Es ist schon eine tolle Sache. Mit einem Floß raus auf die Havel, grillen mit Freunden, Bier trinken, feiern. Nur sollte einer nüchtern bleiben und das 15 PS starke Gefährt sicher steuern können. An schönen Sommertagen wie jetzt sieht man in Potsdam zahlreiche dieser sogenannten Huckleberry-Flöße auf dem Wasser. Doch für die Wasserschutzpolizei werden die Freizeitaktivitäten der Potsdamer und vieler Touristen zunehmend zum Problem: Um stolze 20 Prozent stieg die Zahl der Einsätze seit Mai im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, wie der Leiter der Wasserschutzpolizei der Direktion West, Joachim Pötschke, den PNN sagte.
Von Mai bis August mussten die Beamten 184 Mal ausrücken. Das ist im Schnitt ein Einsatz täglich. Zudem wurden 1500 Kontrollen bei Wassersportlern durchgeführt und 300 Regelverstöße festgestellt, die mit Bußgeldern geahndet wurden. Laut Pötschke wurden vor allem Schiffe der Berufsschifffahrt kontrolliert und Unfälle bearbeitet. So brannte im Juli eine Yacht auf dem Schlänitzsee bei Bornim aus. Das Boot wurde vollständig zerstört, die vier Insassen konnten sich unverletzt retten. Zudem war im Mai ein 52-jähriger Schiffsführer eines Schubverbandes in den Teltowkanal gestürzt und ertrunken. Veranstaltungen wie die Klausurtagung der CDU/CSU auf Hermannswerder im Juni mussten geschützt und Anzeigen zu Diebstahlsdelikten und Gewässerverunreinigungen aufgenommen werden.
Die Fähre nach Hermannswerder wurde mehrfach von Freizeitkapitänen lahmgelegt
Auch die Fähre nach Hermannswerder musste immer wieder eine Zwangspause einlegen. Ein halbes Dutzend Mal hätten Freizeitkapitäne die Fähre lahmgelegt, weil sie sich mit ihren Booten in dem Seil verhedderten, sagte Stadtwerke-Sprecher Stefan Klotz auf Anfrage.
Gut beschäftigt wird die Wasserschutzpolizei durch die vielen Flöße und Wassersportler auf der Havel. Beispielsweise ist das sogenannte Stand-up-Paddling auf einem Surfbrett seit Längerem eine beliebte Freizeitbeschäftigung. Der Ausbau des Wassertourismus beeinflusse zunehmend das Verkehrsaufkommen im Schiffsverkehr, so Pötschke. Dies zeigten die seit Jahren kontinuierlich steigenden Schleusendurchlaufzahlen. Laut Angaben des Wasser- und Schifffahrtsamtes Brandenburg stieg im vergangenen Jahr die Zahl der Durchfahrten von Berufsschiffern an der Schleuse in Kleinmachnow (Potsdam-Mittelmark) auf 3613 – fast 500 mehr als noch 2013. Noch größer ist der Anstieg bei den Sport- und Freizeitbooten: 7663 Durchfahrten wurden 2015 registriert, gut 850 mehr als noch vor drei Jahren. Als Folge des Gedränges steigen auch die Unfallzahlen.
Die meisten Unfälle gehen glimpflich aus
Immerhin: Zumeist gehen die Unfälle glimpflich aus. Boote fahren sich außerhalb der Fahrrinne fest oder verheddern sich in Fischreusen. Immer wieder gibt es aber auch Kollisionen mit anderen Booten, bei denen zumindest ein Sachschaden entsteht.
Daran beteiligt seien zwar auch führerscheinfreie Sportmotorboote, den weitaus größeren Anteil an den Schiffsunfällen hätten jedoch Freizeitkapitäne, die etwa seit längerer Zeit nicht mehr mit einem Sportboot am Schiffsverkehr teilgenommen hätten, hieß es. Zunehmend mehr Bootsführer seien ungeübt oder gar unkundig im Umgang mit dem Fahrzeug und den Verkehrsvorschriften sowie den nautischen Bedingungen.
Pötschke sieht hier die Wassertouristen selbst sowie die Floßvermieter wie die Berliner Firma Diki Tours in der Pflicht, die auch eine Floß-Station in Potsdam betreibt. Diese müssten für eine genügende Sachkunde und Routine der Fahrer sorgen. Er rief zugleich die Bootsführer dazu auf, mehr Rücksicht zu nehmen und vorausschauend zu fahren. Eine Beeinträchtigung der Sicherheit sei durch den Ausbau des Wassertourismus aber nicht festzustellen, so Pötschke.
Weisse-Flotte-Chef: "Die Zahl der kleinen Flöße hat überhandgenommen"
Wesentlich kritischer sieht Weisse-Flotte-Chef Jan Lehmann die Entwicklung. Vor allem die Zahl der kleinen Flöße habe überhandgenommen, sagte er den PNN. „Die haben keine Ahnung von den Regeln.“ Dabei sei eine Motorstärke von 15 PS, bis zu der man auf Brandenburgs Gewässern ohne Führerschein fahren darf, „eine ganze Menge“. Hier habe der Gesetzgeber einen Fehler gemacht. Besonders gefährlich sei es, wenn die kleinen Boote in die Fahrrinne für die großen Schiffe kämen. Es dauere eine Weile, bis ein großer Ausflugsdampfer zum Stehen komme. „Das ist so, als wenn man mit dem Fahrrad auf die Autobahn fährt.“ Gelegentlich würden sich auch Stand-up-Paddler in die Fahrrinne legen, aber das komme sehr selten vor.
Lehmann kritisierte auch, dass die Industrie auf die Führerscheinfreiheit reagiere und mehr Boote baue, die nur 15 PS oder weniger hätten. Es sei bislang ein Wunder, dass noch nichts Schlimmes passiert sei, so Lehmann.
Bei der Wasserschutzpolizei werden Stellen abgebaut
Lehmann hält die Wasserschutzpolizei für zu wenig präsent auf der Havel. Ab 18 Uhr sei es ganz schwierig, sagte er. Tatsächlich schwindet nach der Polizeireform des Landes die Zahl der Stellen für die Wasserschutzpolizei. Sie soll gegenüber dem Stand vor drei Jahren bis 2020 von 55 auf schließlich 40 Stellen sinken. Dadurch fehlt für immer mehr Aufgaben das Personal. Derzeit gibt es bei der Wasserschutzpolizei der Direktion West noch 44 Stellen. Zuständig sind die Beamten mit ihren insgesamt acht Booten für rund 300 Kilometer Wasserstraße von Rathenow im Havelland bis zur Schleuse Kleinmachnow – eines der bedeutendsten Wassersportreviere der Region, aber auch eine der wichtigsten Routen für die Berufsschifffahrt in Brandenburg.
Insgesamt gab es auf Brandenburgs Gewässern im ersten Halbjahr 59 Sportboot-Unfälle, 53 waren es im Vorjahreszeitraum. Zwölf Menschen wurden dabei verletzt. Die Zahl von Bootsdiebstählen hingegen stieg nur minimal. Auch die Anzahl festgestellter Verstöße ging etwas zurück: Bei jeder sechsten der rund 10 000 Kontrollen fanden die Beamten Mängel an Boot oder Besatzung, im Vorjahr war es noch fast jede fünfte.
Stefan Engelbrecht
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