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Aus dem GERICHTSSAAL: Gefälschte Monatskarte

Erschleichen von Leistungen war nicht zu beweisen

Stand:

Die Verteidigerin legt sich mächtig ins Zeug, verweist auf die Augenerkrankung ihres Mandanten, die es ihm unmöglich gemacht habe, die Fälschung der Monatskarte zu erkennen. Sie selbst – so die Juristin – könne normal gucken. Doch auch ihr würde auf Anhieb nichts Verdächtiges auffallen. Dem Kontrolleur mit geschultem Blick schon. „Die Karte stammt eindeutig aus einem Diebstahl. Sie wurde per Heimcomputer beschriftet. Solche Tickets, von denen mindestens 1000 Stück auf einer Rolle sind, werden zu Schleuderpreisen bei Ebay, in der „Zweiten Hand“, in Wohnheimen oder einfach auf dem Bahnhof angeboten. Der Schaden, der der Deutschen Bahn dadurch entsteht, ist enorm“, schätzt der Bahnmitarbeiter im Zeugenstand ein.

Samuel J. (25) aus Nigeria glaubte nach eigener Aussage an ein Schnäppchen, als ihm am 28. Oktober vorigen Jahres ein Mann im Bahnhofscenter eine Monatskarte für 15 Euro verkaufen wollte, die eigentlich 61 Euro kostet. „Er sagte, sie nutze ihm nichts mehr, da er nach München umsiedle“, übersetzt der Dolmetscher die Worte des Asylbewerbers. Eigentlich habe er am Schalter lediglich eine Tageskarte erwerben wollen, dann aber bedenkenlos zugegriffen. Frohgemut habe er sich in die S-Bahn gesetzt, sei nach Babelsberg gefahren. Der Kontrolle auf der Rücktour habe er guten Gewissens entgegengesehen, beteuert der am Lerchensteig Wohnende.

Doch der als Zeuge geladene Mitarbeiter der Deutschen Bahn erinnert sich, Samuel J. habe ihm seinen Fahrausweis nur ganz kurz unter die Nase gehalten. Als er den Fahrgast aufforderte, das Billett aus der Hülle zu nehmen, habe er beim ersten Mal nicht reagiert. „Da ahnte ich schon, dass etwas nicht stimmt“, so der Kontrolleur.

„Die Polizei wurde gerufen. Dann musste ich in ein Büro mitkommen. Dort wurde ich ein oder zwei Stunden vernommen“, berichtet der ertappte Schwarzfahrer. „Nachdem ich 40 Euro Strafe gezahlt hatte, durfte ich gehen.“ Inzwischen sei er schlauer, betont Samuel J. auf Nachfrage seiner Verteidigerin. Obwohl er monatlich nur 175 Euro Sozialhilfe erhalte, kaufe er sich regelmäßig eine Monatskarte, die ihn berechtige, auch in Berlin umherzufahren. Zum Beweis dessen kramt er in seiner Brieftasche, fördert zahlreiche alte und schließlich auch ein aktuelles Ticket zutage.

„Es konnte nicht nachgewiesen werden, dass der Angeklagte die gefälschte Karte vorsätzlich benutzt hat“, befindet Amtsrichterin Constanze Rammoser-Bode nach Abschluss der Beweisaufnahme. Deshalb sei er auf Kosten der Staatskasse vom Vorwurf des Erschleichens von Leistungen freizusprechen.

Hoga

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