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Gekrönt. Die neue Thora-Rolle der Potsdamer Synagogengemeinde wurde mit Gesang und Tanz mehr als einen Kilometer weit zu Fuß durch die Stadt getragen.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Gefeiert wie ein König

Die Potsdamer Synagogengemeinde hat eine neue Thora-Rolle eingeweiht

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Innenstadt - „Das jüdische Leben in Potsdam soll wachsen!“ Eindrucksvoller als mit der feierlichen Einweihung der neuen Thora-Rolle der Synagogengemeinde Potsdam hätte man die Worte des Rabbiners Nachum Presman wohl kaum einlösen können: Rund 100 Juden und Nichtjuden hatten sich am Sonntagnachmittag am Platz der Einheit versammelt um dabei zu sein, wenn die neue Thora-Rolle nach alter Tradition mit einer silbernen Krone geschmückt und durch die Stadt zu den Gemeinderäumen der Synagogengemeinde in der Hans-Thoma-Straße getragen wird. „Normalerweise werden Könige gekrönt – wir krönen unsere Thora, um sie zu feiern“, erklärte Ud Joffe, Vorsitzender der Synagogengemeinde.

Normalerweise werden bei der Einweihung einer neuen Thora-Rolle die letzten Buchstaben hinzugefügt, doch da dieses Mal die neue Thora bereits vollendet worden war, wurde mit dem Schreiben einer neuen Rolle begonnen. Diese soll in zwei Jahren fertig sein und dann, so Rabbiner Presman, „ihren Platz in der neuen Synagoge in Potsdam finden“. Presman rief mehrere Mitglieder der Gemeinde, des Synagogen-Fördervereins und der Jüdischen Gemeinde auf, damit sie jeweils einen Buchstaben auf die erste Seite schreiben. Damit nichts schief geht, führte Rabbiner Abraham Daus aus Berlin jedem Schreiber die Hand.

Dann hielt Presman die ausgerollte Thora für einen Moment in die Höhe, umstehende Juden beteten und zeigten mit dem kleinen Finger auf die heilige Schrift, um sich zu ihr zu bekennen. Was danach folgte, hatte weniger den Charakter einer Prozession, eher den eines fröhlichen Volksfestes: Unter einem Baldachin wurde die bekrönte Thora-Rolle im Wechsel von verschiedenen Rabbinern und Gemeindemitgliedern durch die Innenstadt getragen. Angeführt wurde der Festzug von Rabbinern aus Potsdam, Berlin, Sachsen und Baden-Württemberg, die zusammen mit Kindern aus der Gemeinde ausgelassen singend, tanzend und klatschend dem Kleinbus folgten, von dem laut Musik schallte. „Ich finde es gut, dass man das jüdische Leben so deutlich in der Stadt sieht. Diversität ist besser als Einseitigkeit“, sagte ein 27-Jähriger aus Potsdam, der zuschaute.

Auch einige Menschen, die nicht jüdischen Glaubens sind, folgten dem Straßenzug zur Synagogengemeinde. Nun fehlte nur noch der „Hakafot“, bei dem die Thora-Rolle mehrmals um das Lesepult des Rabbiners herumgetragen wird; aber vorher wird noch einmal ausgiebig mit der Rolle getanzt. Schließlich wird sie in den Thora-Schrank gestellt und die Einweihung damit abgeschlossen.

Die neue Rolle ist eine Spende aus dem russischen Dneprpetrowsk und musste aufwendig restauriert werden, da sie aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg stammt. Bislang hat die Synagogengemeinde, die sich vor einem Jahr wegen des Streits um den Synagogenbau von der Jüdischen Gemeinde Potsdam abgespalten hatte, die Liturgie mit einer geliehenen Thora-Rolle aus Frankreich durchgeführt. Dass die Synagogengemeinde nun eine eigene Rolle besitze, sieht Joffe nicht als „falsches Signal“: „Thora-Rollen machen keine Politik“, stellte er in einer Ansprache klar. Ähnlich äußerte sich die stellvertretende Vorsitzende des Synagogen-Fördervereins, Jana Kadegis: „Die neue Thora-Rolle ist ein Geschenk an alle Juden Potsdams.

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