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Landeshauptstadt: Gegen Angst-Räume

Der Verein Opferperspektive stellt heute eine neue Broschüre zu „Alltagsrassismus in Potsdam“ vor

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Es geht um ein Zigarette, die mit den Worten „Scheiß Ausländer“ einem 27-jährigen Türken in seinem Döner ausgedrückt wird. Das ist eine von neun Erfahrungen, die in Potsdam lebende Ausländer in der Stadt gemacht und in der Broschüre „Alltagsrassismus in Potsdam“ aufgeschrieben haben. Das Heft hat der Verein Opferperspektive herausgegeben, heute wird es ab 15 Uhr im Raum 1.077 des Stadthauses der Öffentlichkeit vorgestellt.

So eine Broschüre gab es schon einmal. Bereits vor vier Jahren hat der Opferperspektive e.V., der in ganz Brandenburg Betroffene rassistischer Gewalt betreut, so ein Heft herausgebracht. Wieder sind die aus der Ich-Perspektive erzählten Schilderungen emotional berührend aufgeschrieben, die Namen der Interviewten sind zu deren Schutz anonymisiert. Die Erfahrungen stünden „exemplarisch für die Vielschichtigkeit von rassistischer Diskriminierung“, heißt es im Vorwort. Von diesen Sorgen zu berichten sei den Betroffenen nicht leichtgefallen.

Da ist etwa eine schwangere, 30 Jahre alte Nigerianerin, die im Flüchtlingsheim lebt und der eine Bank mehrfach verweigerte, ein Konto zu eröffnen: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie mich nicht wollten, weil ich Ausländerin bin“, schreibt sie – zumal ein anderes Kreditinstitut ihr schließlich ohne Probleme half. Auch aus solchen Diskriminierungserfahrungen könnten für Betroffene sogenannte AngstRäume entstehen, schreibt der Opferperspektive-Verein – also Orte und Situationen, die fortan gemieden werden. Es folge der Rückzug ins Private. Davon seien vielfach Menschen betroffen, die schon in ihren Heimatländern traumatische Erfahrungen sammeln mussten, so der Verein.

So schildert ein 49-jähriger Libanese, der vor mehr als 20 Jahren nach Deutschland flüchtete, er habe über Wochen hinweg Angst gehabt, dass ihm seine Kinder weggenommen werden. Denn das Jugendamt ging einer Meldung nach, aus seiner Wohnung seien regelmäßig Schmerzensschreie von Kindern zu hören, vor allem am Mittag – wenn die Kinder eigentlich in der Kita seien, wie der Mann es schildert. Entsprechend habe sich der Verdachtsfall auch für das Jugendamt als falscher Alarm herausgestellt. „Wer dahintersteckt, das hat mich lange Zeit beschäftigt – ich habe den Verdacht, dass es mit meiner nichtdeutschen Herkunft zu tun hat.“ Denn im Haus habe es mehrfach Ärger gegeben, erklärt der Libanese – von einem Nachbarn sei seine Frau bereits als „Scheiß-Ausländerin“ beschimpft worden. „Zum Glück sind nicht alle Leute so.“ Auch solche Kommentare finden sich in der Broschüre. Sie sorgen dafür, dass nicht ausschließlich ein negatives Bild vom Leben der knapp 7300 Migranten in Potsdam gezeichnet wird. So geht im Vorwort des Heftes die Potsdamer Ausländerbeauftragte Magdolna Grasnick der Frage nach, ob es Gebiete in Potsdam gibt, die Menschen mit dunkler Hautfarbe meiden sollten. Sie kann sich dazu an die Worte einer Potsdamerin aus Togo erinnern: „Ich meide hier keine einzige Ecke.“ Grasnick: „Ich denke, diese Antwort ist die richtige Antwort.“ HK

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