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An der Pulle: Alcopops sind bei Jugendlichen immer noch beliebte Alkoholika.

© Rainer Weisflog

Von Henri Kramer: Gegen den Suff

Posdam versucht, Jugendlichen bei Suchtproblemen zu helfen – doch nicht jedes Projekt gelingt

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Die Flasche Wodka liegt an der Kasse, ein wohl gerade erst 18 Jahre alter Junge zückt seinen Ausweis und zahlt. Er greift die Pulle und steuert auf zwei Mädchen und zwei andere Jungen zu, die alle etwas jünger als der Wodka-Käufer aussehen. Sie grinsen ihn an. Es ist 21 Uhr. „Um diese Zeit wird hier fast nur noch Alkohol verkauft“, sagt einer der Verkäufer, die an diesem Freitagabend im Kaufland in den Bahnhofpassagen abkassieren.

Die Bilder gleichen sich Woche für Woche: Seit Kaufland bis 22 Uhr öffnet, sind die Bahnhofspassagen an Freitag- und Samstagabenden voller Jugendgruppen mit mehr oder weniger Alkohol im Gepäck – oder in der Hand. Passagen-Managerin Jana Walther kennt die Situation: „Im Winter steigt die Zahl der Jugendgruppen dann noch zusätzlich an.“ Schon vor Monaten hat sie an Wochenenden den Wachschutz verstärken lassen.

Die mögliche Aggressivität der Gruppen ist aber nicht das eigentliche Problem: Die vielen Flaschen mit Bier, Wodka-Mischmasch oder richtig hartem Schnaps sind allerdings sichtbares Zeichen dafür, dass möglicherweise auch viele junge Potsdamer dazu neigen, zu oft zu viel Alkohol zu trinken.

Gegen zu viel Suff setzt die Stadt auf ein sogenanntes „Netzwerk Alkoholprävention“, bei dem Partner wie Polizei, Verwaltung, Suchtstellen und andere mehrmals im Jahr an einem Tisch sitzen. Die Arbeitsgruppe gibt es seit 2007. Damals hatten spektakuläre Alkoholvergiftungen junger Leute eine bundesweite Diskussion ausgelöst. Die Stadtverwaltung hatte daraufhin beispielsweise eine regelmäßig stattfindende Flatrate-Saufparty verboten.

Doch funktioniert Prävention nicht immer so problemlos. So soll bereits seit Sommer 2008 der Verein Chill Out beim Projekt „Safer Nightlife“ nachts in Clubs kommen und über Risiken u.a. auch des Alkoholkonsums aufklären. Der Transporter dafür steht bereit – allein es fehlt die Inneneinrichtung. Eine eingeplante Spende habe sich überraschend zerschlagen, sagt Chill Out-Chef Rüdiger Schmolke. Der nächste Anlauf ist im Mai geplant.

Ob solche einfachen Präventionsangebote auch Thomas H. auf den richtigen Weg gebracht hätten, bleibt freilich fraglich. Der 18-Jährige war vergangenes Jahr einer von 34 Teilnehmern des „Fred plus“-Programms der Arbeiterwohlfahrt, dass seit 2007 Jugendlichen helfen soll, die kurz vor einem schweren Alkohol- oder Drogenproblem stehen. Und Thomas H. hatte Probleme. Mit 12 war er zu Hause ausgezogen und von da an in Wohnheimen untergekommen. Damals lernte er Alkohol und Cannabis kennen. Als der heute 18-Jährige zu Sozialpädagoge Daniel Zeis in den „Fred plus“-Kurs kam, trank Thomas H. fast täglich Bier, dazu kiffte er. Und wenn er einmal übermäßig Schnaps und Bier gesoffen hatte, schlug er zu. 150 Euro gab er pro Monat für Suchtmittel aus, ein Drittel seines Geldes. Manchmal ging er klauen. „Inzwischen hat er sich gefangen, eine Ausbildung, eine Freundin, eine Wohnung – und verzichtet auf zu viel Alkohol“, sagt Zeis.

Ein Erfolg. Doch wollen Suchtexperten wie Schmolke von Chill Out lieber noch früher ansetzen. Er würde es beispielsweise gern sehen, das Krankenhäuser sich bei Jugendämtern melden, wenn sie alkoholisierte Jugendliche aufnehmen müssen – damit ein Sozialarbeiter mit ihnen sprechen kann. Im Bergmann-Klinikum stößt die Idee allerdings auf Ablehnung, so Kliniksprecherin Damaris Hunsmann: „Da greifen der Datenschutz und die ärztliche Schweigepflicht.“

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