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Unerschütterliches Selbstvertrauen. Angelique Kerber verkraftete, dass sie im dritten Satz sechs Matchbälle vergab.

© dpa

Sport: Gegen die Welle gestemmt

Kerber bezwingt Scharapowa, auch Lisicki steht im Wimbledon-Viertelfinale

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London - Für die meisten Tennisspieler, so auch für Boris Becker, umweht Wimbledon etwas geradezu Mystisches. „Wenn Sie Katholik sind, gehen Sie nach Rom, wenn Sie Moslem sind, nach Mekka. Und wenn Sie Jude sind, nach Israel – so ist das mit Tennis und Wimbledon“, meinte der, der an diesem ehrwürdigen Ort drei Mal triumphierte. Angelique Kerber indes mag sich beim Betreten des All England Clubs in den vergangenen Jahren mehr an den Janus-Mythos erinnert gefühlt haben, jene römische Gottheit mit den zwei Gesichtern. Denn für die beste deutsche Spielerin gab es bisher in Wimbledon immer nur die beiden Extreme: Euphorie oder Desaster. 2012 stürmte die 26 Jahre alte Kielerin furios bis ins Halbfinale, im letzten Jahr verließ Kerber untröstlich und demoralisiert nach ihrem Zweitrundenaus gegen Kaia Kanepi den Club. „Ich hatte hier schon viele schöne und auch sehr negative Erfahrungen“, hatte Kerber zum Turnierbeginn gesagt, „das ist ein Ort, an dem alles für mich passieren kann. Ich lasse mich überraschen, was dieses Mal auf mich wartet.“

Janus sollte ihr dieses Mal wieder sein freundliches Gesicht zeigen, denn Kerber spielte eine spektakuläre Achtelfinalpartie gegen Maria Scharapowa – und bezwang die French-Open-Siegerin mit 7:6, 4:6, 6:4. Auch Sabine Lisicki zog ins Viertelfinale ein, ihr 6:3, 3:6 und 6:4-Erfolg über die Kasachin Jaroslawa Schwedowa wurde aber von Störgeräuschen begleitet.

„Es ist unglaublich, Maria hat auf so hohem Level gespielt“, freute sich Kerber, „ich bin so glücklich, dass ich es geschafft habe. Es war ein tolles Match.“ Kerber schrie nach dem siebten Matchball ihre ganze Freude über den Centre Court hinaus und teilte sie mit den 15 000 jubelnden Zuschauern. Kerber selbst konnte kaum fassen, was ihr da nach fast drei Stunden gelungen war. Lange hatte die Weltranglisten-Siebte darauf gewartet, endlich wieder eine der besten Spielerinnen zu schlagen. Kerber gehört seit zwei Jahren selbst zum elitären Zirkel der Top Ten, doch in den vergangenen 18 Monaten hatte sie gegen die großen Namen nicht mehr gewinnen können. Vor allem nicht bei den Grand Slams, dort war sie seit ihrem Lauf vor zwei Jahren in Wimbledon nirgendwo mehr auch nur bis ins Viertelfinale vorgedrungen. Es war ihr Durchbruchjahr gewesen, eines, in dem es immer nur steil bergauf gegangen war. Doch danach wurde es mühsamer, Kerber war plötzlich die Gejagte, damit kam sie lange nicht zurecht. Umso dringender benötigte Kerber mal wieder eine Leistung wie jene gegen die russische Weltranglistenfünfte. Scharapowa ist eine der willensstärksten Spielerinnen der Tour, eine, die verbissener als alle anderen um jeden Ball kämpft und niemals aufgibt. Und sie feuerte Kerber dann auch 51 Winner entgegen, allerdings unterliefen ihr beinahe ebenso viele Fehler. Kerber stemmte sich mit ihren starken Grundschlägen gegen die Wucht-Welle der Russin – und fand mit ihrem variablen Spiel immer wieder Angriffsflächen bei der angespannten Scharapowa. Im ersten Satz war Kerber sofort mit einem Break gestartet und lag bis zum 5:4 in Führung, bis Scharapowa ausglich. Doch im Tiebreak bewahrte die Deutsche die Nerven und beeindruckte wohl auch Scharapowa mit dem Satzgewinn. Kerber kämpfte mit Herzblut, war über weite Strecken die bessere Spielerin. Auch als sie im entscheidenden Durchgang die 5:2-Führung nicht halten konnte, brach sie nicht ein. Selbst sechs ungenutzte Matchbälle ließen sie nicht an sich zweifeln. „Ich glaube einfach, dass ich es schaffen kann“, hatte Kerber vorher gesagt, und sie hielt Wort.

Kurz zuvor hatte Lisicki zum fünften Mal in Folge das Viertelfinale in Wimbledon erreicht, doch dass sie mitten im dritten Spiel des dritten Satzes eine Verletzungsauszeit nahm, wurde der Berlinerin als Unsportlichkeit ausgelegt. Lisicki pochte auf ihre Schulterverletzung und verstand die Aufregung nicht. „Ich konnte meinen Arm nicht mehr heben. Ich hoffe, dass es bis morgen wieder geht.“ Dann trifft sie auf die Weltranglistendritte Simona Halep. Petra Philippsen

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