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"Schmuckgefährten“ in Babelsberg: Gehämmert, gefeilt, gelötet

Elisabeth Baumgart ist Goldschmiedin. Sie arbeitete im KaDeWe und wollte dann eine eigene Werkstatt mit Geschäft. Nun hat sie die „Schmuckgefährten“ in Babelsberg eröffnet.

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Potsdam - Sieht aus wie ein Kinderstühlchen, ist aber keines. Elisabeth Baumgart hat einfach die Beine von dem alten Holzstuhl gekürzt. Damit sie so niedrig sitzt, wie sie am besten arbeiten kann: die Tischplatte auf Schulterhöhe, den sogenannten Feilnagel direkt vor dem Gesicht. Der Nagel allerdings ist gar keiner, sondern eine Art hölzerne Nase, ein kleines Podest, auf dem das Werkstück liegt, das sie gerade bearbeitet. Es muss möglichst frei liegen, damit sie mit Feilen, Sägen und Hämmerchen von allen Seiten gut herankommt. Elisabeth Baumgart ist Goldschmiedin. Und hat vor drei Wochen ihre eigene Goldschmiede eröffnet. „Schmuckgefährten“ heißt das Geschäft mit Werkstatt in der Wattstraße.

Ein saniertes Jugendstilhaus in Babelsberg - "Das isses!"

„Babelsberg erinnert mich an meinen Heimatort Neuruppin und hat eine tolle Ausstrahlung, ich bin total glücklich hier“, sagt die 29-Jährige. Von Berlin aus hatte sie sich vor Monaten auf die Suche nach Geschäftsräumen gemacht, war jede Straße in Babelsberg abgelaufen. „Ich habe den Laden gesehen, das Schild ,zu vermieten’ und wusste sofort: Das isses“, sagt Baumgart begeistert. Das sanierte Jugendstilhaus liegt mitten in einem Wohnviertel, die Miete ist etwas günstiger. Das ist wichtig für eine junge Frau, die sich selbstständig gemacht hat. Gesehen wird sie auch hier in der Nebenstraße, sagt sie. Auf dem Weg zur S-Bahn schauen die Leute ins Fenster, die Besucher des Restaurants oder der Arztpraxis nebenan bleiben stehen. Gleich in der ersten Woche kam ein Mann aus der Nachbarschaft, der ganz schnell ein besonderes Schmuckstück brauchte. Innerhalb weniger Tage hat Elisabeth Baumgart es angefertigt. „Es war zu einem Jahrestag“, sagt sie geheimnisvoll. „Ich möchte nicht, dass der Kunde oder die Beschenkte sich erkennt.“

Der Berufswunsch entstand, als sie einen Goldschmiedekurs an der Volkshochschule besuchte. „Ich hatte mein Abitur, wusste aber, ich bin nicht der Typ, der studiert.“ Eine Goldschmiedelehrstelle zu finden war allerdings nicht einfach, der Beruf ist gerade bei Mädchen sehr beliebt. Schließlich machte sie bei einem klassischen Goldschmied in Berlin-Wilmersdorf eine dreieinhalb Jahre lange Ausbildung. Dort lernte sie alles: sowohl das Handwerkliche als auch den Umgang mit Kunden, Geschäftsführung von der Buchhaltung bis zur Werbung.

Es reicht nicht, kreativ zu sein

Davon profitiert sie jetzt. Es reicht nicht, kreativ zu sein, man muss auch mal unter Zeitdruck arbeiten können, auf Kundenwünsche eingehen können, beraten und rechnen können, sagt sie. Zusätzlich suchte sie sich während der Gründungsphase professionelle Unterstützung. Im Internet fand sie die Beratungsstelle Gründungswerkstatt Enterprise – Brandenburg. Hier bekam sie Tipps zum Thema Steuern und Marketing und auch mal Hilfe beim Ausfüllen von Formularen. „Ich kann das nur empfehlen“, sagt sie.

Die neuen Geschäftsräume gestaltete sie mit Hilfe ihrer Eltern und ihres Freundes. Der Tresen, ein besonderer Blickfang im Verkaufsraum, ist eine längliche Baumscheibe, die ihr Großvater einst aus einem vom Sturm umgeknickten Baum fertigte. Es gibt außerdem einen gemütlichen Tisch, an dem man bei einem Kaffee in Ruhe ein Beratungsgespräch führen kann, Skizzen anschaut, Entwürfe anprobiert. Der Kauf von Schmuck soll etwas Besonderes sein, findet sie. „Wenn man viel Geld ausgibt, ist auch das Verkaufserlebnis wichtig.“ In der Werkstatt arbeitet die Goldschmiedin bis jetzt noch allein. Bis zu fünf Arbeitsplätze kann sie hier einrichten, sie kann sich vorstellen, eines Tages auch Mitarbeiter zu beschäftigen. Jetzt können hier Teilnehmer der Goldschmiedekurse, die sie anbietet, arbeiten, auch Paare, die ihre Trauringe selbst gestalten wollen.

Trend: Schmuck der Großeltern umarbeiten lassen 

Sämtlicher Schmuck, den sie verkauft, hat sie selbst gefertigt. Erkennbar ist das an der klaren stilistischen Ausrichtung. „Ich mag klassische, schlichte Formen und Kontraste“, sagt Baumgart. Keine Schnörkel, kein Schnickschnack. Gern kombiniert sie farbige Edelsteine mit Gold und Silber. Sie freut sich, wenn sie einen unscheinbaren Stein mit dem passenden Material ins richtige Licht setzen kann, aus einem alten Stück dann ein Eyecatcher wird. Auch das sei ein Trend: Schmuckstücke der Großeltern umzuarbeiten und zu tragen, anstatt sie in der Schublade liegen zu lassen.

Während der Eröffnungsphase kam sie jedoch weniger zum Arbeiten. „Ich muss mal wieder ein paar Nachtschichten einlegen, um das Lager aufzufüllen“, sagt sie. Etwa vier Stunden braucht sie für einen Ring, komplizierte Ketten können bis zu eineinhalb Tage dauern. An das konzentrierte einsame Arbeiten ist sie gewöhnt. Angst, so allein in dem Geschäft, hat sie keine. Im Berliner KaDeWe, wo sie zuvor arbeitete, habe sie den Überfall im Winter 2014 erlebt, kauerte hinter dem Schmucktresen, als es passierte. „Das ist unser Berufsrisiko“, sagt Baumgart. „Ich möchte in zehn Jahren noch hier sein.“

Schmuckgefährten, Wattstraße 6. Mehr Infos >> 

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