Landeshauptstadt: Geht eine segensreiche Tradition zu Ende? Der Oberin des Oberlinhauses wurde gekündigt
Von Klaus Büstrin Babelsberg – Zur Werkandacht des Oberlinhauses am Montag, die Pastor Friedrich-Wilhelm Pape hielt, kamen nur drei Mitarbeiter in die Kirche. Aus Protest bleiben wir fern, sagt so mancher, der im Oberlinhaus arbeitet, doch aus Angst vor Reaktionen seinen Namen nicht nennt.
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Von Klaus Büstrin Babelsberg – Zur Werkandacht des Oberlinhauses am Montag, die Pastor Friedrich-Wilhelm Pape hielt, kamen nur drei Mitarbeiter in die Kirche. Aus Protest bleiben wir fern, sagt so mancher, der im Oberlinhaus arbeitet, doch aus Angst vor Reaktionen seinen Namen nicht nennt. Die Werkgemeinde ist sowieso kleiner geworden, da die Hälfte der Angestellten dem christlichen Glauben fern steht. Die strukturellen Veränderungen der über 130 Jahre alten medizinisch-diakonischen Einrichtung haben viele, die in ihr tätig sind, aus dem Gleichgewicht gebracht, noch mehr aber den Geist des christlichen Glaubens, der ihrer Meinung nach der Macht des Geldes fast geopfert wurde. Heute leben und arbeiten neun Diakonissen, sechs diakonische Schwestern sowie weitere Männer und Frauen, die zu anderen diakonischen Gemeinschaften gehören, im Oberlinhaus. Oberin ist gegenwärtig Schwester Gisela Zschockelt. Noch, denn zum Ende des Jahres wurde ihr vom Vereinsvorstand betriebsbedingt gekündigt. Ihre Aufgaben, so der Vereinsvorstand und Aufsichtsrat, könne auch die neue Vereinsvorsitzende, Pastorin Katharina Wiefel-Jenner, die ab 1. Februar 2006 das Oberlinhaus leitet, übernehmen. Auch die Gisela Zschockelt verbliebenen Leitungsaufgaben der Bereiche Kindertagesstätte und Altenhilfe musste sie abgeben. Gegen die Kündigung will die Oberin klagen. Mit dem „Wegfall“ einer Oberin soll eine gute und segensreiche Tradition zu Ende gebracht werden. Dieses Amt hat geholfen, die geistliche Lebens- und Dienstgemeinschaft auch in dieser diakonischen Einrichtung zu garantieren. „Ich habe in meinen fast 15 Jahren, die ich hier tätig bin, nie auf den Titel großen Wert gelegt. Ich wollte einfach nur Schwester sein“, sagt Gisela Zschockelt gegenüber den PNN. Sie weist darauf hin, dass sie sich dem Neuen nicht verschließt, aber sie wehrt sich dagegen, dass ihre Haltung von Leitungsmitgliedern als destruktiv beurteilt wird. „Ein kritisches Hinterfragen wird doch in jeder Managementausbildung gefordert. Das müssten die Herren doch wissen.“ Sie habe Vorschläge unterbreitet, wie sie sich noch stärker in die geistlichen Belange des Hauses einbringen könne. Aber ohne Erfolg. Die Diakonissen, die meisten in hohem Alter, sind irritiert, auch deswegen, weil das Feierabendheim aufgelöst und sie in einem allgemeinen Betreutem Wohnen untergebracht werden sollen. „Ich komme mir vor, als ob mir ein Stück Heimat genommen wird“, so eine Diakonisse. Im Jahr 2000 gab es eine groß angelegte Spendenaktion des Oberlinhauses mit der RBB-Moderatorin Carla Kniestedt, in der für die Diakonissen Geld gesammelt wurde. Gisela Zschockelt sowie die damalige Alt-Oberin Huberta Müller hatten dagegen protestierten. Sie meinten, dass damit die Schwestern vorgeführt werden. In der Satzung des Vereins Oberlinhaus ist nämlich zu lesen: „Die dem Mutterhaus angehörenden Diakonissen werden entsprechend der Ordnung der Schwesternschaft lebenslang versorgt.“ Das Geld spielt auch im Oberlinhaus eine große Rolle, doch darüber sollte nicht vergessen werden, dass die Einrichtung vor allem ein „Ort zum Leben“ sein will, bemerkt Gisela Zschockelt Im Festbuch zum 125-jährigen Bestehen des Oberlinhauses „Ein Ort zum Leben“ schreibt Bischof Wolfgang Huber: „Die Kirche hat den Diakonissen viel zu danken. Als erkennbare verlässliche und belastbare Mitarbeiterinnen ... haben sie gezeigt, wie sich der Glaube in die alltäglichen Lebenssituationen ... hilfreich einbringt.“ Friedrich-Wilhelm Pape führt in das selbe Buch mit den Bemerkungen ein: „Viele Bilder mit Diakonissen sind dabei. Die Einheit von Arbeit, Leben und Glauben hat von Anfang an das Werk geprägt.“
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