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Von Henri Kramer: Geld gegen Aufenthalt

Bestechlichkeit in Ausländerbehörde? / Zwei Korruptionsfälle in Verwaltung

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Es war ein Streit, der mehr Fragen als Antworten produzierte: In der jüngsten Stadtverordnetenversammlung vor einer Woche preschte Lutz Boede von Die Andere mit einem Antrag vor, wonach Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) künftig „unaufgefordert“ die Stadtpolitik informieren soll, wenn Mitarbeiter der Verwaltung unter den Verdacht der Bestechlichkeit geraten – und bezog sich dabei auf „aktuelle Fälle“. Jakobs verwahrte sich gegen die Kritik der Desinformation, dementierte aber nicht. Auf welche Ämter sich aber der Verdacht bezog, diese Antwort blieben Boede und Jakobs schuldig.

Inzwischen scheint klar, warum. Nach PNN-Recherchen gab es in den vergangenen beiden Jahren mindestens zwei Korruptionsfälle in der Verwaltung. Einer davon ist politisch höchst sensibel. Er betrifft die Potsdamer Ausländerbehörde, in der die Gesetze über Einreise, Aufenthalt, Niederlassung und Erwerbstätigkeit von Ausländern umgesetzt werden. Seit mehr als einem Jahr ermittelt die Staatsanwaltschaft Neuruppin, die eine Schwerpunktabteilung für den Bereich Korruption besitzt. Laut ihrem Sprecher Stefan Heidenreich richtet sich der Verdacht auf einen inzwischen entlassenen Mitarbeiter der Ausländerbehörde, Michael E. Ihm wird vorgeworfen, gegen das Ausländergesetz verstoßen zu haben – in Verbindung mit „korruptiven Handlungen“, so Heidenreich. Wenn der Verdacht stimmt, soll E. unter anderem Aufenthaltsgenehmigungen ausgestellt und dafür Geld kassiert haben. Auf Anfrage sprach die für die Ausländerbehörde zuständige Sozialdezernentin Elona Müller von offenbar „krimineller Energie“, mit denen sich Michael E. „finanzielle Vorteile“ verschafft habe. Aktuell ist die Leitung der Ausländerbehörde nur kommissarisch besetzt.

Unklar ist die Dimension des Skandals. Denn über mögliche Geldsummen oder die Zahl der Gelegenheiten, in denen sich Michael E. strafbar gemacht haben könnte, sind „noch keine seriösen Angaben möglich“, sagte Heidenreich von der Staatsanwaltschaft. Unsicher ist damit aber auch, bei wie vielen in Potsdam lebenden Migranten geprüft werden muss, ob sie sich überhaupt in Deutschland aufhalten dürfen. Ebenso muss die Staatsanwaltschaft unter Umständen noch gegen weitere Beschuldigte ermitteln, die möglichen Geldgeber, so Heidenreich.

Bereits im November 2007 soll der Verdacht auf Michael E. gefallen sein, nachdem die Behörde zwei Monate zuvor umgezogen war. Über den Fall wurden nur die Stadtverordneten im Hauptausschuss kurz informiert. Die Öffentlichkeit nicht. Ein pikantes Detail: Gerade im November 2007 blieb die Ausländerbehörde für mehr als eine Woche geschlossen. Der Geschäftsbereich von Elona Müller begründete dies damals erst mit „technischen Gründen“ und dann auf Nachfrage mit einer „Neustrukturierung“ wegen „der Langzeiterkrankung eines Mitarbeiters“.

Müller begründete diesen bis zu den jetzigen Recherchen offensichtlich sehr zurückhaltenden Informationsfluss mit dem „Schutz“ der anderen, unverdächtigen Mitarbeiter in der Ausländerbehörde. Ebenso beruft sich die Verwaltung auf „Datenschutz“, wenn es um Details bei beiden Korruptionsverfahren geht.

Doch die Zahl der Fragen, gerade an Elona Müller, dürfte in nächster Zeit noch wachsen. Stadtsprecherin Rita Haack bestätigte gestern einen weiteren Verdachtsfall für Korruption in der Verwaltung, der neueren Datums sei. Nicht bestätigen wollte sie PNN-Informationen, dass sich auch dieser Verdacht auf den Fachbereich von Elona Müller bezieht – die nicht nur für Soziales, sondern auch für Jugend, Gesundheit, Ordnung und Umweltschutz zuständig ist. Auch in diesem Fall soll die Staatsanwaltschaft bereits ermitteln.

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