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Landeshauptstadt: Geldgeschäfte unter Genossen

Die Potsdamer Genossenschaft BB Regio ist einer von bundesweit rund 60 sogenannten Mikrofinanzierern. Ihre Zielgruppe sind Kleinstunternehmer der Region – wie der Potsdamer Derk Franke

Von Matthias Matern

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Babelsberg - Knapp bei Kasse ist Derk Franke öfters mal. Dass man ihm da bei den Banken nicht gerade einen roten Teppich ausrollt, kann der 36-jährige Ladeninhaber aus Babelsberg durchaus verstehen. „Wäre ich zwei Wochen lang krank, wäre ich pleite“, räumt Franke ein. Vor rund zweieinhalb Jahren hat der Betriebswirt aus einem Nebenverdienst seinen Hauptberuf gemacht und in der Karl-Liebknecht-Straße einen Bio-Weinhandel eröffnet. Jetzt soll das kleine Ladengeschäft aufgehübscht werden: Die nüchterne Deckenbeleuchtung vom Vormieter soll endlich rausfliegen, zudem ein kleiner Probiertresen eingebaut werden. Insgesamt 2000 Euro hat Franke zur Verfügung. Das Geld stammt aus dem sogenannten Mikrokreditfonds der Bundesregierung. Vermittelt haben ihn Markus Gürtler und Wolfgang Lauer von der Potsdamer Genossenschaft BB Regio, einer von bundesweit rund 60 sogenannten Mikrofinanzierern.

Eingerichtet wurde der Fonds vor rund zwei Jahren. Er wird gespeist aus Mitteln des Bundes und des Europäischen Sozialfonds (ESF). Insgesamt stehen 100 Millionen Euro zur Verfügung. Ziel ist es, die Finanzierung von Existenzgründern und Kleinstunternehmen in Deutschland zu verbessern. Ihren Ursprung haben Mikrokredite aber eigentlich in der Entwicklungshilfe. Sie sollen das Umsetzen von Selbsthilfe-Projekten auch ohne die sonst für Kredite notwendigen Sicherheiten ermöglichen. Damit sollen Menschen ihre Existenz sichern, die vorher komplett auf Hilfsleistungen angewiesen waren.

In Deutschland werden die Kredite von der GLS Bank vergeben. Von der Bundesregierung hatte die Bank damals den Auftrag bekommen, für ein flächendeckendes Angebot von Mikrokrediten zu sorgen. In der Region Berlin-Brandenburg gibt es derzeit 14 Mikrofinanzierer. Gürtler und Lauer sind die ersten mit Sitz in Potsdam. Beide sind neu im Geschäft. Während Lauer aus dem Kommunikationsbereich kommt, hat Gürtler selbst 20 Jahre Erfahrung als Unternehmer, unter anderem durch den Vertrieb von regionalen Produkten. Die Form einer Genossenschaft haben die beiden gewählt, weil ihr Anliegen weit über die Kreditvermittlung für Kleinstunternehmer hinausgeht. „Unser Finanzsystem hat einen entscheidenden Fehler: Geld, das in einer Region erwirtschaftet wird, kommt nicht den Akteuren vor Ort zugute, sondern fließt ab“, sagt Gürtler. Auf der Internetseite von BB Regio heißt es: Ziel ist die Reduzierung des steigenden Einflusses der globalen Monopolisierung und der Abhängigkeit der Region von internationalen Großinvestoren. In einem zweiten Schritt wollen Gürtler und Lauer außerdem neben der sogenannten Havelblüte eine weitere Regionalwährung einführen. Diese soll dann gewährleisten, dass das Geld dort ausgegeben wird, wo es verdient wurde. Bundesweit gibt es etwa 40 Regionalwährungen.

Durch das Genossenschaftssystem wollen die beiden Gründer möglichst viele Gleichgesinnte mit ins Boot holen, dadurch den Rahmen möglicher Kreditvergaben erhöhen. Laut Vorgabe müssen die Mikrofinanzierer ein Fünftel der Summe als Rücklage vorhalten. Derzeit sind sie bei BB Regio noch zu sechst, mit jedem neuen Mitglied steigt auch die Rücklage. „Natürlich bekommt man bei uns auch einen Kredit, ohne Genosse zu sein“, sagt Wolfgang Lauer. Allerdings sei ein Eintritt in die Genossenschaft und eine entsprechende Einlage wünschenswert. Gürtler spricht vom Solidaritätsgedanken. Genossen müssten außerdem bei Folgekrediten weniger Sicherheiten nachweisen und bekämen ihr Geld schneller, wirbt der Kommunikationsanalytiker. Denn ganz ohne Abfangnetz geht es auch bei den Mikrofinanzierern nicht. Eine Schufa-Abfrage gehört genauso dazu wie eine Prüfung von Kontoauszügen. Zudem müssen Antragsteller in einem ersten Gespräch darlegen, warum sie einen Kredit benötigen. Die maximale Kredithöhe sind 20 000 Euro, bei Erstvergabe nur 10 000 Euro. Bürgschaften von Verwandten oder Freunden über bis zu 3000 Euro sind möglich. Der Zinssatz beträgt 8,9 Prozent.

Derk Franke ist der zweite Kreditnehmer der Potsdamer Genossen. Bis zu 30 sollen es bis Jahresende werden, lautet das selbstgesteckte Ziel. 150 neu vergebene Kredite pro Jahr seien durchaus machbar, meint Wolfgang Lauer. Franke zumindest ist zufrieden. Als er sich damals selbstständig machte, musste er erfahren, wie schwer es ist, einen Kredit auf dem herkömmlichen Weg zu bekommen. „Ich habe alle abgeklappert, wurde aber fast überall abgewiesen“, berichtet der Babelsberger Weinhändler. Kennengelernt habe er Gürtler bei einem Gründerkurs, den dieser geleitet habe.

Außer für die Frischekur für das Babelsberger Ladengeschäft will Franke das geliehene Geld nutzen, um günstiger Wein einzukaufen. Je nachdem, bei welchem Winzer man bestelle, bekomme man auf größere Mengen Rabatt, erläutert der 36-Jährige. Überzeugt habe ihn das Mikrokredit-System, weil trotz allem weniger Formalitäten als bei herkömmlichen Krediten notwendig waren, und weil alles recht schnell gegangen sei, sagt Unternehmer Franke. „Am Samstag habe ich den Antrag abgegeben und am Dienstag darauf war das Geld da.“

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