Sport: Gemeinsam gegen Anfeindungen
Kaiserslauterns Fanprojekt wird ausgezeichnet
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Berlin - Die drei älteren Herren sehen sich zum ersten Mal. Julian Hiller ist aus Toronto nach Berlin gekommen, Godfrey Eric Fochs aus New York. Andreas Hirsch hatte es etwas näher, er wohnt in Karlsruhe, und dort liegt auch die gemeinsame Vergangenheit der drei älteren Herren. Ihre Großväter habe zusammen Fußball gespielt. Hiller, Fochs und Hirsch sind Ehrengäste des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), der am Dienstag zur Verleihung eines ganz besonderen Preises ins Alte Stadthaus an der Klosterstraße geladen hat. Der Preis trägt den Namen von Andreas Hirschs Großvater Julius, dieser zählte zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts zu den besten Fußballspielern Deutschlands. Und ließ sein Leben 1943 im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau.
Andreas Hirsch hört jedes Mal zur Preisverleihung die selben Worten über das Leben und Sterben seines Großvaters, „aber es schnürt mir jedes Mal von Neuem die Kehle zu“. In Berlin trifft er nun zum ersten Mal die Herren Hiller und Fochs. Deren Großvater Gottfried Fuchs spielte in den frühen Jahren des deutschen Fußballs gemeinsam mit Julius Hirsch für den Karlsruher FV. 893 Nationalspieler hat es in der jetzt 104 Jahre währenden deutschen Länderspielgeschichte gegeben, ganze zwei davon waren jüdischen Glaubens.
Gottfried Fuchs wurde berühmt durch seine zehn Tore, die er bei den Olympischen Spielen 1912 gegen Russland erzielte. Wie Julius Hirsch diente er dem deutschen Heer im Ersten Weltkrieg, aber anders als der Freund und Mitspieler nahm er die Nazis ernst und beim Wort, so dass ihm rechtzeitig die Flucht nach Kanada gelang. In Toronto änderte er seinen Namen in Godfrey Fochs. „Wir wussten schon, dass er in Deutschland sehr berühmt war“, sagt Enkel Godfrey Eric. „Aber es bewegt uns doch sehr zu hören, was für ein großartiger Spieler und Mensch er war.“ Zu seinen größten Bewunderern zählte der spätere Berner Wundertrainer Sepp Herberger, der 1955 anlässlich eines Länderspiels in Moskau eine Postkarte zu Fuchs nach Kanada schickte und alle seine Nationalspieler unterschreiben ließ. 1972 hätte er sein Jugendidol gern zu den Olympischen Spielen nach München eingeladen, aber der DFB stellte sich quer, mit Verweis auf die „schwierige Finanzlage“ des Verbandes.
„Das ist heute sicherlich nicht mehr nachzuvollziehen“, sagt DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. Sein Vorgänger Theo Zwanziger hat den Julius-Hirsch-Preis ins Leben gerufen. Seit acht Jahren zeichnet der DFB Initiativen aus, die sich gegen Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus engagieren. Er geht in diesem Jahr an den 1. FC Kaiserslautern und dessen Fanprojekt für das energische Vorgehen gegen antisemitische Parolen, die ein paar Dumpfbacken beim Tag der offenen Tür dem israelischen Profi Itay Shechter an den Kopf geworfen hatten. „Das waren Leute, die eigentlich bei uns Stadionverbot haben, aber am Tag der offenen Tür kommt halt jeder rein“, sagt Kaiserslauterns Vorstandsvorsitzender Stefan Kuntz.
Die Laudatio hält Otto Rehhagel, weil er zehn seiner dreiundsiebzig Lebensjahre in Kaiserslautern verbracht und den FCK im Jahr 1998 zur bislang letzten deutschen Meisterschaft geführt hat. Rehhagel lobt Lauterns Klubführung und die Fans („alles richtig gemacht!“), erwähnt betont beiläufig sein erstes Bundesligaspiel für Hertha BSC vor 50 Jahren („damals gab es nur vier Ausländer in der Bundesliga“) und lässt auch nicht unerwähnt, dass „ich selbst neun Jahre einmal Ausländer war, als Nationaltrainer Griechenlands“.
Sven Goldmann
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