
© M. Thomas
Von Jan Kixmüller: Gemeinsame Interessen
Streckenweise wollen die Besetzer der Universität Potsdam das Gleiche wie die Hochschulleitung – doch man findet nicht zusammen
Stand:
Die Szenerie hat etwas Surreales. Die Vorlesung findet wie gewohnt im Audimax statt. Nur bewegen sich die Studierenden und der Professor in einem etwas derangierten Umfeld. Neben und über der Tafel hängen Plakate mit Parolen wie „Träume brauchen Freiräume statt Lernfabriken“. Daneben sind alle Städte aufgelistet, in denen zurzeit Unis besetzt sind. Hier und da sitzen die studentischen Besetzer des Saales, diskutieren und organisieren, eine Kamera ist auf die Zuhörer gerichtet und überträgt live ins Internet. Den Dozenten ficht das offensichtlich alles kaum an, er läuft vor den Reihen der Studierenden auf und ab und rezitiert konzentriert seinen Lehrstoff.
Dass die protestierenden Studenten den Unterricht im Audimax zulassen, ist kein unwichtiger Aspekt dieser Besetzung. Seit über einer Woche ist der Saal belagert, eine Gruppe von insgesamt 40 bis 100 Studierenden will durch die Blockade des größten Raumes der Hochschule ihren Forderungen um bessere Studienbedingungen und Chancengleichheit Nachdruck verleihen. Zu Anfang der Besetzung wurden Studierende, die zu ihrer Lehrveranstaltung ins Audimax wollten, wieder weggeschickt. Die Hochschulleitung und auch das Wissenschaftsministerium drängten darauf, dass der Studienbetrieb gewährleistet sein muss, insbesondere auch weil es der größte Raum der notorisch unter Platznot leidenden Uni ist. Durch die Freigabe des Raums für Vorlesungen hatten die Besetzer dann etwas Druck aus dem Kessel genommen.
Dem Präsidium der Uni geht dieser Schritt allerdings nicht weit genug. „Das besetzte Audimax biete keine akzeptable Arbeitssituation“, sagt Präsidentin Sabine Kunst. Der Druck von Dozenten wie auch vonseiten der Studierenden, die den Protest nicht unterstützen, wachse täglich. „Langfristig ist das keine Lösung.“
Tatsächlich haben die Protestler mittlerweile nicht nur Applaus von ihren Kommilitonen, etwa den Studenten der Gewerkschaft GEW, erhalten. Die CDU-nahe Hochschulgruppe des RCDS lehnt die Besetzung des Audimax „durch den AStA und Bildungsstreik-Sympathisanten“ ab. „Wir wollen klarstellen, dass bei weitem nicht alle Studenten diese Aktion unterstützen“, betont RCDS-Vorsitzender Lucas Müller. Die Besetzung sei kontraproduktiv: „Auf der einen Seite werden bessere Studienbedingungen gefordert und auf der anderen Seite werden viele Studenten daran gehindert, ihre Vorlesungen zu besuchen“, bemängelt Müller. Allerdings teilt er die Kritik der Besetzer an der neuen rot-roten Landesregierung.
Zwischen Studierenden und Präsidium besteht mittlerweile so etwas wie eine Patt-Situation. Die Forderungen der Studierenden, die sich weitgehend mit den Positionen vom Bildungsstreik im Juni decken, sind in ihrer Gänze für die Unileitung nicht erfüllbar. Forderungen nach einem besseres Betreuungsverhältnis zwischen Lehrenden und Studierenden und einem freien Zugang zum Masterstudium kann die Hochschule nur schwer nachkommen. Sie sei in Kapazitätsfragen von Landesmitteln abhängig und unterliege beim Übergang zum Master den Vorgaben der Kultusministerkonferenz, so die Unileitung. Andere Forderungen wie mehr Mitbestimmung und Abschaffung der Anwesenheitslisten werden mit Hinweisen auf punktuelle Veränderungen beantwortet. Das reicht wiederum den Protestierenden nicht. Sie bleiben hart, und wenig kompromissbereit. Die Besetzer wollen bleiben, bis alle Forderungen erfüllt sind. Das Präsidium hat zwar weiterhin Gesprächsbereitschaft signalisiert und eine polizeiliche Räumung derzeit ausgeschlossen. „Doch irgendwo ist eine Grenze“, sagt Präsidentin Kunst. Nun warten beide Seiten erst einmal weitere Gespräche mit dem Wissenschaftsministerium ab. Hier erhoffen sich die Besetzer mehr Bewegung. Die Verhandlungen mit der Uni-Leitung sehen sie als verfahren, das Präsidium blockiere den Dialog.
Zumindest nach außen gibt sich die Uni-Leitung allerdings offen für einen Dialog. Mantraartig wird betont, dass sich das Ziel der Besetzer, die Studiensituation an der Universität zu verbessern, mit den Zielen der Hochschulleitung treffe. „Hier haben wir deutlich gemeinsame Interessen“, erklärt Präsidentin Kunst. Auf den ersten Blick könnten beide Seiten tatsächlich an einem Strang ziehen. Doch wenn man genauer hinschaut, zeigt sich, dass die Besetzer mehr fordern als die Uni anbieten kann. So wollen die Studierenden etwa die Abschaffung „aller“ Bachelor-Master-Zulassungsbeschränkungen. Die Uni sagt zwar, dass auch sie möglichst allen Bachelorabsolventen die ein Masterstudium aufnehmen wollen, dies ermöglichen will. Doch um das vorgeschriebene Zulassungsverfahren komme man eben nicht herum.
Da die Besetzer zurzeit wenig um Konesens bemüht scheinen, wird es wohl an der Hochschulleitung liegen, wie die Sache weitergeht. Und hier heißt es vieldeutig: „An einer Lösung wird gearbeitet.“
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