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Homepage: Generation in der Warteschleife Soziologe: Krise der Berufsausbildung

Das Erfolgsmodell der deutschen Berufsausbildung gerät ins Wanken. Einen tiefgreifenden Wandel im deutschen Ausbildungssystem hat der Soziologe Prof.

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Das Erfolgsmodell der deutschen Berufsausbildung gerät ins Wanken. Einen tiefgreifenden Wandel im deutschen Ausbildungssystem hat der Soziologe Prof. Wolfgang Lauterbach von der Universität Potsdam ausgemacht. Der Übergang von der Industriegesellschaft der 1970er Jahre in die Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft habe einen schleichenden Umbau des Berufsausbildunsystems mit sich gebracht, sagte der Soziologe Lauterbach am Mittwoch vor Dozenten und Studenten der Potsdamer Lehrerbildung. Während Deutschland bislang durch sein Duales Berufsausbildungssystem – Ausbildung in Betrieb und Berufsschule – als Vorbild gegolten habe, würden nun junge Menschen zunehmend in das so genannte Übergangssystem – eine Vorbereitung zur Berufsausbildung – gedrängt.

In dem Übergangsystem, in den 80er Jahren für eine Randgruppe der Berufseinsteiger etabliert, landen mittlerweile knapp 40 Prozent der Schulabgänger und -abbrecher. Die Bedeutung des Dualen Systems verliere seit den 70er Jahren an Bedeutung. Vier von zehn Ausbildungswilligen müssen heute demnach in Übergangsprogramme ausweichen, vorerst ohne Aussicht auf einen Berufsabschluss.

Das Duale System hingegen hätte in den meisten Fällen einen Übergang von der Ausbildung in den Betrieb ermöglicht, so Lauterbach. Das Übergangssystem verzögere nun diese wichtige Lebensphase. Bezeichnend für den verlängerten Einstieg in die ökonomische Selbständigkeit sei ein ständiges Hin und Her zwischen Praktika, Bildungsmaßnahmen und Ausbildungen, die in zunehmendem Maße wieder abgebrochen würden.

Zwei Ausbildungen seien heute keine Seltenheit, in manchen Fällen würden sogar vier Ausbildungen begonnen und teils wieder abgebrochen. Diese „Mehrfachausbildung“ betreffe vor allem Männer: 40 Prozent von ihnen gehen diesen Weg, 26 Prozent der Frauen. Auch sei die Abbrecherquote unter Auszubildenden stark angestiegen, zurzeit liege sie zwischen 22 und 24 Prozent. Lauterbach spricht von der Entwicklung eines „Bildungsproletariats“. „Das Übergangsystem führt zu einer dauerhaften Marginalisierung der jungen Menschen“, so seine These. Vor allem Männer mit Hauptschulabschluss oder ohne Schulbildung, zumal mit Migrationshintergrund, seien betroffen. Bei ihnen könne die Phase zwischen Schule und erster „Normalbeschäftigung“ heute bis zu zehn Jahre dauern, bei Frauen bis zu sieben Jahre.

Wobei es starke länderspezifische Unterschiede gebe. Während in Bayern das Duale System noch weitgehend funktioniere, würden Länder wie Nordrhein-Westfalen, das Saarland, aber gerade auch Brandenburg starke Lücken aufweisen. In Ostdeutschland werde zumeist das schlechtere Übergangssystem absolviert. Das Jump-Programm der rot-grünen Bundesregierung habe Unterschiede zwischen Jugendlichen in Ost und West offenbart: Während man im Westen in der Übergangszeit vor allem versuche, Zertifikate zu erhalten, würden junge Menschen im Osten eher versuchen, ihre Persönlichkeit weiter zu entwickeln.

Hintergrund der negativen Verschiebung im Ausbildungssystem sei zum einen, dass klassische Berufe – etwa Verkäufer, Energieelektroniker oder Technischer Zeichner – aussterben. Neue Berufe, beispielsweise der „Mechatroniker“, stellen die jungen Berufseinsteiger meist vor sehr hohe Anforderungen, denen viele nicht gewachsen seien. Auch sei zu beobachten, dass allein die Ausübung einer regelmäßigen Tätigkeit viele Schulabgänger schon überfordere. Ein anderer Punkt: Das Management der Betriebe sehe die Ausbildung zunehmend als störenden Kostenfaktor.

Ein Zuhörer merkte zu den Ausführungen schließlich an, dass nicht allein die Anforderungen der Wissensgesellschaft Ursache der Probleme sein könne, auch gesunkene Qualifikationen und mangelnde Belastbarkeit der Schulabgänger spiele eine große Rolle. Woher dies kommt, ist eine andere Frage. Jan Kixmüller

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