Landeshauptstadt: Genossen in der Glaubwürdigkeitsfalle?
Kirsch-Streit: Brief des Fraktionschefs an SPD-Mitglieder / Scharfenberg: Glaubwürdigkeit auf dem Spiel
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Bei den Sozialdemokraten wächst vier Tage vor der Entscheidung über den Rauswurf des Stadtverordneten Wolfhard Kirsch die Spannung: Gestern hat sich SPD-Fraktionschef Mike Schubert mit einem dreiseitigen Brief an alle Mitglieder der Potsdamer SPD gewandt, um das Vorgehen gegen Kirsch zu erklären. Den Fraktionsausschluss zu beantragen, sei die „schwerste Entscheidung in meiner bisherigen politischen Arbeit“, so Schubert im Anschreiben. Ob Kirsch ausgeschlossen wird, entscheide zwar die Fraktion, doch betreffe der Beschluss die gesamte Potsdamer SPD. Deshalb wolle er sich erklären, so Schubert – und auch diejenigen unterstützen, die wegen ihrer Zustimmung zum geplanten Fraktionsausschluss des Babelsberger Unternehmers „teilweise heftigen Vorwürfen“ ausgesetzt seien.
Die Erklärung Schuberts wird aber sicher auch heute Abend auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung des Babelsberger SPD-Ortsvereins eine Rolle spielen – die Babelsberger hatten vergangenen Donnerstag den Beschluss ihres Vorstands zum Rausschmiss von Kirsch gekippt (PNN berichteten). Dabei hatten vier SPD-Mitglieder, darunter ein Staats- und ein Rechtsanwalt, in einem Schreiben das Vorgehen von Partei und Fraktion scharf kritisiert. Es handele sich um eine „gezielte Kampagne“ gegen Kirsch, die nicht mit den Prinzipien einer demokratischen Partei vereinbar sei, so die Kritiker. Fraktionschef Schubert dagegen warnte in seinem Schreiben vor einer „Glaubwürdigkeitsfalle“, in welche die SPD immer wieder geraten könne, wenn sie den Konflikt mit Kirsch nicht löse.
Dabei geht es vor allem um das Verhalten des SPD-Stadtverordneten im Streit um den Uferweg am Griebnitzsee. Kirsch ist selbst Eigentümer eines Seegrundstücks, Schubert und weitere Mitglieder der Potsdamer SPD-Spitze werfen ihm vor, seine privaten Interessen über sein Mandat als Stadtverordneter gestellt zu haben. Außerdem fühlten sich Teile der SPD von Kirsch getäuscht, weil er sich für einen öffentlichen Uferweg ausgesprochen hatte, gleichzeitig aber per Klage gegen die Stadt einen Zaun auf seinem Grundstück über den Uferweg durchsetzen wollte. Kirsch hat sich zu den Vorgängen bisher kaum geäußert.
Schubert stellt in seinem Brief heraus, dass Kirsch „mit allen rechtlichen und materiellen Möglichkeiten“ gegen die im SPD-Wahlprogramm fixierten Positionen für einen freien Uferweg arbeite. Einige Bürger würden der Partei bereits Wahlbetrug vorwerfen, so Schubert. Kirsch könne seine Meinung zum Uferstreit verfolgen – auch als SPD-Mitglied. Dafür gebe es den „Minderheitenschutz“. Er dürfe aber nicht als Stadtverordneter, der über das Wahlprogramm der Potsdamer SPD angetreten sei, gegen dessen Ziele handeln. Ob die Babelsberger Genossen Schuberts Meinung teilen, wird sich bei der Versammlung heute Abend zeigen. Dass die Abstimmung in der Stadtverordnetenfraktion am Montag knapp ausfallen wird, scheint klar. Ebenfalls bekannt ist in SPD-Kreisen, dass der Fraktionsvorsitzende Schaden nehmen würde, sollte die Zwei-Drittel-Mehrheit für den Kirsch-Rauswurf nicht stehen.
Gleichzeitig machte gestern der politische Gegner Druck. Der Streit der SPD mit Kirsch füge der Stadt großen Schaden zu, sagte Linkspartei.PDS-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg. Dass der Babelsberger Ortsverein Kirsch unterstütze, schwäche die Position von Oberbürgermeister Jann Jakobs im Uferweg-Streit. Dass ausgerechnet die SPD-Fraktion nun zahlreiche Fragen zum Uferweg-Streit an die Verwaltung gestellt habe, lasse zudem den Schluss zu, „dass man dem Oberbürgermeister misstraut“ und das Vorgehen der Stadt für einen freien Uferweg nicht geeignet sei. „Generell steht hier die Glaubwürdigkeit der SPD auf dem Spiel“, so Scharfenberg. Sabine Schicketanz
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