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Aus dem GERICHTSSAAL: Gericht: Das war massiver sexueller Missbrauch

Akademiker nach vier Verhandlungstagen zu zwei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt

Stand:

Der Antrag des Verteidigers, ein zweites Glaubwürdigkeitsgutachten einzuholen, fand kein Gehör. Auch seine Forderung, den Angeklagten nach dem Grundsatz „In dubio pro reo“ freizusprechen, hatte keine Chance. Das Schöffengericht unter Vorsitz von Reinhild Ahle verurteilte gestern Professor Dr. Manfred M.* (67) wegen sexuellen Missbrauchs Schutzbefohlener in Tateinheit mit sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. Die Staatsanwaltschaft hatte zweieinhalb Jahre Haft gefordert. Sie legte dem Philosophen zur Last, seine damals elfjährige Stieftochter Florentine F.* im Frühjahr 1994 zum ersten Mal sexuell missbraucht zu haben. Die Übergriffe – angeklagt wurden vier Taten, in Wahrheit waren es wohl wesentlich mehr – sollen bis zum Herbst 1995 erfolgt sein (PNN berichteten).

In seinem letzten Wort beteuerte der Angeklagte am gestrigen vierten Verhandlungstag erneut seine Unschuld. „Ich habe das nicht getan. Es ist mir ein Rätsel, wie Florentine zu solchen Vorwürfen kommen kann. Ich habe mich wie ein richtiger Vater um sie und ihren Zwillingsbruder gekümmert.“ Ein aussagepsychologisches Gutachten hatte allerdings bestätigt, die Angaben von Florentine F. (inzwischen 28) sei glaubwürdig. Die Aussagequalität spräche für ein Erleben ihrer Bekundungen. Die Hypothese, dass sie ihren einstigen Stiefvater zu Unrecht bezichtige, müsse zurückgewiesen werden. Auch Staatsanwaltschaft und Gericht zeigten sich von den Äußerungen der jungen Frau – sie trat im Prozess als Nebenklägerin auf – überzeugt. Ihr Rechtsbeistand verzichtete in seinem Plädoyer darauf, einen konkreten Strafantrag gegen Professor Dr. Manfred M. zu stellen. Er brandmarkte den Angeklagten als „Patriarchen der etwas schlimmeren Sorte“, der an seiner Stieftochter „einen Machtanspruch ausleben wollte“. „Der Angeklagte glaubt, durch seine intellektuelle Überlegenheit Menschen, die ihm nahestehen, manipulieren zu können“, führte er aus. „Er leidet unter übersteigerter Selbstwahrnehmung und ist davon überzeugt, dass er immer alles richtig macht.“

Die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft betonte: „Der Angeklagte hat das Urvertrauen des Kindes ausgenutzt. Er hat das Mädchen psychisch massiv unter Druck gesetzt, der Mutter nichts zu erzählen. Florentine F. leidet noch 15 Jahre danach unter den Taten. Sie ist auch heute noch in psychologischer Behandlung. “

„Es gibt keine Motivation, weder bewusst noch unbewusst, die für eine Falschaussage von Florentine F. spricht“, erklärte die Schöffengerichts-Vorsitzende. Gerade die vom Verteidiger ins Feld geführten kleinen Widersprüche in ihrer Aussage seien ein Indiz für deren Wahrheitsgehalt. Florentine F. habe schlüssig und detailreich bekundet, was sich in dem betreffenden Zeitraum abspielte, ihre Emotionen geschildert. „Das war massiver sexueller Missbrauch. Da kann man nicht im untersten Bereich des Strafrahmens – er liegt zwischen sechs Monaten und zehn Jahren Freiheitsstrafe – bleiben“, so Richterin Ahle. (*Namen geändert.) Hoga

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