zum Hauptinhalt

HEYES Woche: Geschichte als Trümmerfeld

Uwe-Karsten Heye über gefährliche Schlussstriche

Stand:

Hasso Plattner erinnerte mit seiner Millionenspende für die Fassade des Knobelsdorffbaus auch daran, dass es eine mehrheitliche Zustimmung der Potsdamer Bürger für das Stadtschloss gibt. Mit seiner Hilfe wird es nun leichter, dieses Votum auch einzulösen. Der Bürgerwille und die Spendenbereitschaft sollten ausreichen, um die Gegner des Vorhabens zum Einlenken zu bewegen – meinetwegen auch zähneknirschend. Zumal dann, wenn die eigene Position nicht mehrheitsfähig ist. Aber was dringt aus der Linksfraktion des Stadtrates? Es bestehe die Möglichkeit ernsthaft zu prüfen..., heißt es dort, und: für 20 Millionen Euro sei viel Sinnbringendes möglich... Noch immer wird dort offenbar der Spendenzweck als unstatthaft und ärgerlich empfunden. Was für ein Geschichtsverständnis wirkt da nach? Und das in einer Stadt wie Potsdam, in der alle Teile unserer Geschichte in das Stadtbild eingewoben sind – gute wie schlechte. Mich erinnert der Knobelsdorffsche Prachtbau jedenfalls eher an das Potsdamer Toleranz-Edikt und den Beginn der Aufklärung im pragmatischen Preußen, an die Unbestechlichkeit seiner Justiz und daran, dass Preußen auch zur Heimat für verfolgte Juden und Protestanten werden konnte, die ihren Anteil daran hatten, dass Kunst und Wissenschaft zu großer Blüte gerieten. Spräche das nicht auch für einen Wiederaufbau? Die Stadtschlossruinen in Potsdam wie in Berlin wurden gesprengt – als könnte Geschichte planiert werden. Oder als könne man aus den Trümmern heraussuchen, was einem in den Kram passt: preußischer Stechschritt und wilhelminisch militärischer Pomp fanden Eingang in die „Volksarmee“. DDR und Preußen, noch eine Geschichte. Merkwürdig, dass in Deutschland viele aus der Geschichte aussteigen oder wenigstens einen Schlussstrich ziehen möchten. Die CDU-Landtagsfraktion fordert, das verblassende Emblem der verschlungenen Hände am Turm des Landtags in der ehemaligen Reichskriegsschule zuzudecken, das die SED aus der SPD-Geschichte abgekupfert hatte. Sprengen oder zudecken: Wer seine Geschichte verdrängt oder nicht kennt – und was sonst erleben wir angesichts eines wachsenden Rechtsextremismus – der ist verdammt, sie zu wiederholen.

Uwe-Karsten Heye schreibt ab heute an dieser Stelle regelmäßig für die PNN. Unser Autor war Redenschreiber bei Willy Brandt und Regierungssprecher von Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder. Heute lebt Heye mit seiner Familie in Babelsberg und arbeitet dort als Autor und Publizist.

Uwe-Karsten Heye

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })