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Landeshauptstadt: Geschichte geleugnet?

Museumsmacher und Historiker diskutierten das Wiederaufbau-Projekt Garnisonkirche kontrovers

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Ein einziges Lichtbild. Ein Pressefoto der „New York Times“. Darauf zu sehen ist, wie sich Hitler und Reichspräsident Hindenburg vor der Potsdamer Garnisonkirche verabschieden. Diese berühmte Aufnahme vom „Tag von Potsdam“ präge die kontrovers geführte Debatte um den Wiederaufbau des Gotteshauses in der Breiten Straße bis heute nachhaltig, sagte der Historiker Thomas Wernicke am Samstag in der Interimskapelle am früheren Standort der Garnisonkirche vor Teilnehmern der Herbsttagung des Brandenburgischen Museumsverbandes. Die Tagung stand unter dem Thema „Entnazifizierte Zone? – Zum Umgang mit der Zeit des Nationalsozialismus in ostdeutschen Stadt- und Regionalmuseen“.

Eine „entnazifizierte Zone“ in diesem Sinne, also eine Ausstellung, in der die NS-Zeit nicht beleuchtet wird, ist die Dauerschau in der Kapelle nicht. Die Besucher können dort etwas über jenen verhängnisvollen „Tag von Potsdam“ erfahren. Aber wie wird es sein, wenn der Turm oder das ganze Gotteshaus wieder stehen? Errichte man die Kirche äußerlich originalgetreu, werde damit schlicht die Geschichte geleugnet, sagte am Samstag einer der knapp 20 Diskutanten aus der Runde der Historiker und Museumsmacher: „Es sieht eben dann doch wie früher aus.“ Dies sei keine sinnvolle Idee für ein Konzept des Erinnerns. In die gleiche Richtung ging das Plädoyer eines anderen Tagungsteilnehmers: Die vorhandene Baulücke sei das einzige Authentische, das heute am Standort vorhanden sei. Das preußische Militär, dessen Heimstatt die Kirche einst gewesen sei, stehe für zwei Weltkriege. Die Truppen seien überdies antirepublikanisch gewesen. Die Vorstellung vom Wiederaufbau der Kirche erinnere ihn an eine Walt-Disney-Welt.

Beim Wiederaufbauprojekt tobe in Potsdam der „Kampf um die Deutungen“. Mit diesen Worten umriss Martin Vogel, theologischer Vorstand der Garnisonkirchenstiftung, die teils heftig geführte Diskussion um den Wiederaufbau des Sakralbaus, wobei der Theologe ausführte, es gehe zunächst nur um den Kirchturm. „Über das Kirchenschiff, da ist noch kein Satz verloren worden“, sagte Vogel. Die Grundüberzeugung derer, die sich heute für den Wiederaufbau der im Krieg zerstörten und 1968 auf Geheiß von DDR-Staats- und Parteichef Walter Ulbricht gesprengten Kirche engagierten, sei die Idee, dass Hitler und Ulbricht am Ende nicht recht behalten dürften. Der Theologe erinnerte zugleich daran, dass neben den Militärs früher auch eine Zivilgemeinde in der barocken Kirche beheimatet war. Hinsichtlich der Finanzierung des Bauprojekts drückte Vogel seine Hoffnung aus, dass zukünftig neben einem überwiegenden Teil von Privatspenden auch weitere Zuwendungen aus öffentlicher Hand in das Projekt fließen werden. Letzteres ist in Potsdam bekanntlich besonders stark umstritten. HC

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