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Landeshauptstadt: Geschlossen gegen die Reform

400 Apotheker und Ärzte protestierten in Potsdam gegen Regierungspläne

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Innenstadt - Demonstration der Weißkittel: Rund 1000 Apotheker, Ärzte und Arztheferinnen haben gestern in Potsdam gegen die geplante Gesundheitsreform protestiert. Zur Kundgebung auf dem Platz der Einheit hatten Brandenburgs Apothekerverband, die Kassenärztliche Vereinigung, Ärztegewerkschaften, aber auch verschiedene Krankenkassen aufgerufen. Zeitgleich, pünktlich ab 11.55 Uhr – „fünf vor Zwölf“, fanden Demonstrationen in Cottbus und Frankfurt (Oder) mit insgesamt 2000 Teilnehmern statt.

Viele Demonstranten trugen weiße Kittel und machten mit Rasseln und Trillerpfeifen ihrem Ärger lautstark Luft. Sie hielten Plakate hoch, auf denen „Kliniken in Not“ stand oder auch „25 Kilometer bis zur nächsten Apotheke“. Zudem hatten in Brandenburg rund 80 Prozent aller Arztpraxen zwischen 10 und 14 Uhr geschlossen, sagte der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg, Ralf Herre. Erstmals in Brandenburg haben sich auch die Apotheken an einem so genannten Ärzte-Streik beteiligt: 80 der rund 570 Apotheken im Land hatten geschlossen, zahlreiche weitere hielten lediglich einen Notbetrieb aufrecht, so Monika Harms, Sprecherin der Landesapothekerkammer. Allein in Potsdam sollen 15 der insgesamt 39 Apotheken geschlossen gewesen sein. Laut Herre blieben in der Landeshauptstadt auch mehr als 200 der insgesamt 300 Arztpraxen unbesetzt. Für Notfälle sei die medizinische Versorgung jedoch sicher gestellt gewesen.

Grund für den Protest sind die von der Bundesregierung geplanten Änderungen im Gesundheitssystem ab 2009, die mit starken Einsparungen verbunden sind. So sollen laut Monika Pulmann vom Ersatzkassenverband auch rund 4,5 Milliarden Euro aus der Tabaksteuer nicht mehr ins System fließen. Sie befürchtet darum einen Stellenabbau im Gesundheitswesen, der auch die Versorgung der Patienten gefährden würde. Dabei ständen die neuen Bundesländer bereits schlechter da als die alten, sagte die Landesvorsitzende des Verbands der medizinischen Fachberufe, Barbara Glöhs auf der Kundgebung: Im Osten Deutschlands betreue eine Praxis-Mitarbeiterin durchschnittlich 206 Patienten, im Westen nur 164.

Auch Pharmazeut Hartmut Kulka aus Babelsberg schloss seine Lindenapotheke und demonstrierte, „um Arbeitsplätze und die gute Patientenberatung zu retten“. An der Kundgebung nahmen aber auch Potsdamer Klinikärzte teil: Er wolle „zeigen, dass es keine Fronten zwischen den Ärzten gebe, sondern, dass es uns allen an den Kragen geht“, so Dr. Eckart Frantz, Chefarzt im St. Josefs-Krankenhaus. Dr. Michael Hücker, Leiter der Oberlinklinik, befürchtet: „Wir müssen im Falle dieser Reform irgendwann darüber nachdenken, wie viel Mitarbeiter wir überhaupt noch beschäftigen können“. Der Potsdamer FDP-Bundestagsabgeordnete Heinz Lanfermann forderte den Bundestag darum auf, dem neuen Gesetzesentwurf nicht zuzustimmen, vor dem selbst neutrale Gesundheits-Experten bereits gewarnt hätten.

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