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In Erklärungsnot. Niedersachsens Kultusminister Althusmann steht wegen seiner Dissertation in Potsdam unter Plagiatsverdacht.

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Landeshauptstadt: Geschminkte Arbeit?

Universität Potsdam prüft Plagiatsvorwurf gegen Niedersachsens CDU-Kultusminister Althusmann

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Hannover/Potsdam - Es ist der dritte Plagiatsverdachtsfall an der Universität Potsdam innerhalb weniger Monate: Der niedersächsische Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) soll beim Abfassen seiner Doktorarbeit „im großen Stil gegen wissenschaftliche Regeln verstoßen“ haben, wie die Wochenzeitung „Die Zeit“ am Mittwoch berichtete. Althusmann hatte die Dissertation mit dem Titel „Prozessorganisation und Prozesskooperation in der öffentlichen Verwaltung – Folgen für die Personalentwicklung“ 2007 als externer Doktorand an der Universität Potsdam eingereicht und dafür den Doktortitel verliehen bekommen.

Den „Zeit“-Recherchen zufolge hat Althusmann nicht dreist kopiert, sondern ist subtiler vorgegangen: Auf 88 von 114 untersuchten Seiten – insgesamt hat die Arbeit 290 Seiten – habe er sich „großzügig aus fremdem geistigen Eigentum“ bedient „ohne dies in der notwendigen Weise deutlich gemacht zu haben“. Von anderen Autoren übernommene Passagen seien durch „kosmetische Veränderungen“ am Text und irreführende Fußnoten für den Leser nicht mehr als solche erkennbar. So werde etwa mit einem vagen „vgl.“ – kurz für: vergleiche – auf den Urheber hingewiesen.

An der Uni Potsdam werden die Vorwürfe nun geprüft, wie Sprecherin Birgit Mangelsdorf den PNN bestätigte. Die Entscheidung, ob der Fall vor die uniinterne „Kommission zur Untersuchung von Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens“ kommt, liegt beim Dekan der betroffenen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät, Klaus H. Goetz. Er habe bereits Rücksprache mit dem Doktorvater gehalten, auch die Gutachten lägen ihm vor, sagte Goetz den PNN. Er werde zudem eine Stellungnahme Althusmanns anfordern. Ob die Kommission eingeschaltet wird, müsse innerhalb von zwei Wochen entschieden werden. „Wir haben natürlich Interesse an einer zügigen Klärung“, so Sprecherin Mangelsdorf.

In den vergangenen Monaten hatten zwei weitere Plagiatsverdachtsfälle die Universität erschüttert (PNN berichteten): Bei einem emeritierten Mathematikprofessor, der aus einem Sachbuch abgeschrieben hatte, forderte die Untersuchungskommission jetzt „personalrechtliche Konsequenzen“, wie Mangelsdorf gestern sagte. Da der Mann aber bereits im Ruhestand sei, werde darüber nachgedacht, wie damit umgegangen wird. Denkbar sei etwa eine „Missbilligung“.

Immer noch offen ist dagegen der Fall der FDP-Politikerin und Honorarprofessorin Margarita Mathiopoulos. Ihre 1986 an der Universität Bonn eingereichte Dissertation steht unter Plagiatsverdacht, die Uni Potsdam will für mögliche Konsequenzen aber das Votum aus Bonn abwarten. Ob die Uni Bonn die Arbeit erneut prüft – sie hatte das bereits 1991 getan –, wird voraussichtlich in der kommenden Woche entschieden, so ein Sprecher.

An der Potsdamer Uni lösen die Vorfälle eine Diskussion um Qualitätsstandards aus: Althusmanns Doktorvater Dieter Wagner, gleichzeitig der Vizepräsident für Wissens- und Technologietransfer an der Uni, sprach sich gegenüber der „Zeit“ dafür aus, zukünftig Software zur Plagiatsprüfung zu verwenden. Auch Dekan Goetz rechnet damit, dass es eine Debatte über die „systematische Überprüfung“ aller Arbeiten geben wird. Für das Vertrauensverhältnis zwischen Betreuer und Doktorand wäre die automatische Plagiatsprüfung allerdings „eine gravierende Änderung“, betonte er.

Dass Promovenden ihre Arbeiten – wie Althusmann – extern einreichen, sei in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften „nicht unüblich“, erklärte Goetz. Von den zwischen 20 und 30 Dissertationen an seiner Fakultät pro Jahr stamme etwa jede vierte von „außerhalb“, so seine grobe Schätzung. Als „extern“ gelten Doktoranden, wenn sie keine Arbeitsstelle an der Uni haben. Dass das einer mangelnden Qualität Vorschub leisten könnte, wies Goetz zurück: Ein „systematisches Risiko“ gebe es nicht. „Das Betreuungsverhältnis muss in diesen Fällen an Intensität in nichts nachstehen.“ Im Promotionsverfahren gebe es keinen Unterschied. Althusmann sei der erste Plagiatsverdachtsfall an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät in seiner Dekanats-Zeit seit 2009, sagte Goetz. Auch uniweit gebe es derzeit keine weiteren Verdachtsfälle, so Sprecherin Mangelsdorf. An der Uni Potsdam promovieren jährlich mehr als 230 Wissenschaftler.

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