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Homepage: Gespräche auf Augenhöhe

Der demografische Wandel ist auch eine Chance zur Verständigung zwischen den Generationen. Von Wilfried Schubarth

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Das Jahr 2013 ist vom Bundesforschungsministerium zum Themenjahr „Die demografische Chance“ benannt worden. Die Frage, wie sich der Wandel gestalten lässt, steht dabei im Fokus. In den PNN stellen Wissenschaftler aus der Region ihre Arbeit und Erkenntnisse dazu vor.

Der demografische Wandel wird von vielen Ängsten oder gar Katastrophenszenarien begleitet. So würden bei einem „Weiter so“ – je nach Sichtweise – ein „Aufstand“ oder eine „Diktatur der Alten“, in jedem Fall jedoch ein „Krieg der Generationen“ drohen. Empirische Studien zum Generationenverhältnis legen demgegenüber ein eher entspanntes, meist harmonisches Verhältnis nahe. Die junge Generation weiß überwiegend die Lebensleistung der älteren Generation zu schätzen, auch weil sie im Alltag große Hilfe und Unterstützung in materieller wie in nicht materieller Form seitens ihrer Eltern und auch ihrer Großeltern erfährt. Und dennoch ist der Blick der jungen Generation auf das Morgen ganz und gar nicht ungetrübt, zu groß ist bei vielen die Angst, angesichts steigenden Wettbewerbsdrucks zu den Verlierern zu gehören. Dass die Mehrheit hinsichtlich ihres eigenen Lebens trotzdem positiv in die Zukunft schaut, zeugt von einem gesunden Optimismus, wenngleich dieser persönliche Optimismus durch die pessimistische Sicht auf die gesellschaftliche Entwicklung konterkariert wird.

Der demografische Wandel und die Belastungen, die den kommenden Generationen aufgebürdet werden, sind riesige Herausforderungen. Und die gesellschaftliche Antwort darauf lautet: mehr Bildung, mehr Investitionen in die junge Generation. Das erscheint auf den ersten Blick recht plausibel, können doch nur gut ausgebildete Fachkräfte den demografischen Wandel bewältigen und den jeweiligen (Wirtschafts-)Standort sichern helfen. Auf den zweiten Blick greift eine bloße ökonomische Sichtweise bei der Bewältigung der anstehenden Probleme freilich zu kurz. Der demografische Wandel birgt die Chance für mehr in sich.

Wenn der Wandel tatsächlich als Chance begriffen werden soll, dann stellt sich zunächst die Frage: Chance wozu oder Chance wofür? Für mehr Wachstum, mehr Wettbewerbsfähigkeit oder für ein Innehalten und ein Nachdenken darüber, wie wir morgen leben wollen und wie ein menschenwürdiges Miteinander, auch zwischen Jung und Alt, möglich ist? Gerade hier hat Deutschland offenbar Nachholbedarf, wenn man internationale Vergleichsstudien zur Gemeinwohlorientierung, zur Generationengerechtigkeit oder zur Civic education zugrunde legt, die Deutschland samt und sonders nur Mittelmaß bescheinigen. Für viele Experten ist klar, dass das Generationenverhältnis eins der Schlüsselprobleme unseres Gesellschaft ist, wie auch Bildung mehr ist als nur Ausbildung für den Arbeitsmarkt. Beides kommt beim demografischen Wandel zusammen und führt zur Notwendigkeit eine verstärkten Generationendialogs.

Doch wollen Jugendliche überhaupt mit der älteren Generation über gesellschaftliche Dinge, über Werte und Zukunftsvorstellungen reden? Unsere Studien im Land Brandenburg zeigen: ja, aber nur wenn die Gespräche auf Augenhöhe und ohne Belehrung erfolgen und wenn ein echtes Interesse am Gegenüber spürbar ist. Diesen gegenseitigen Respekt vermissen viele Jugendliche, gerade in den ländlichen Regionen Brandenburgs, wenn Kommunen vor allem auf ihren Tourismus-Standort bedacht sind und jugendlichen Bedürfnissen nach Geselligkeit und Selbstbestimmung zu wenig Freiräume geben. Sicher verläuft die Kommunikation zwischen Jung und Alt nicht immer konfliktfrei, sie sollte aber stets von gegenseitiger Achtung und Wertschätzung geprägt sein. Viele Kommunalpolitiker machen es bereits vor und suchen ein solches Gespräch.

Auch die Schulen sollten den demografischen Wandel verstärkt zum Thema machen und durch intergenerative Arbeit den „Dialog der Generationen“ befördern. Gute Ansätze gibt es auch in Brandenburg, etwa den Verein „Seniorpartner in School“ oder Service-Learning-Projekte, die soziale Dienste mit Lernen verknüpfen. Darüber hinaus wird auch in Sportvereinen, Freiwilligen Feuerwehren oder in Mehrgenerationenhäusern das Miteinander von Jung und Alt erfolgreich praktiziert – alles Ansätze, die in die Zukunft weisen. Insofern ist hier die Chance des demografischen Wandels für einen generationenübergreifenden Wertedialog bereits ein Stück Realität.

Wilfried Schubarth ist Professor für Erziehungs- und Sozialisationstheorie am Profilbereich Bildungswissenschaften der Universität Potsdam.

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