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Etwas HELLA: Gezähmte Geduld

Geduld ist eine Tugend. Es wird nur Lobenswertes darüber gesagt, selbst bei Google.

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Geduld ist eine Tugend. Es wird nur Lobenswertes darüber gesagt, selbst bei Google. Zum Beispiel: „Geduld ist gezähmte Leidenschaft.“ Oder laut Konfuzius: „Nur mit Geduld bei den kleinen Dingen bringt man die großen nicht zum Scheitern.“ Auf die Ebene des amerikanischen Schriftstellers Ambrose Bierce, der auch der Bittere genannt wird, begebe ich mich natürlich nicht. Wie könnte ich auch auf die Idee kommen, dass „Geduld eine niedere Form der Verzweiflung ist, die sich als Tugend verkleidet“. Schließlich hat gerade unsere Bundeskanzlerin mit dem Aussitzen von Problemen die letzte Wahl gewonnen und unsere Stadtverordneten tun in ihrer gründlichen Art auch nur ihr Bestes.

Trotzdem könnte ich mich bis knapp vorm Herzinfarkt aufregen, wenn wieder mal gestritten und vertagt und nichts auf die Reihe gebracht wird. Aber Geduld, Geduld, irgendwann kriegen wir bestimmt ein Tierheim, sind alle Straßen staufrei und das Hochhaushotel ist Vergangenheit. Aufregen nützt erstens wenig, zweitens ist es gesundheitsschädlich und drittens wird im Großen und Ganzen doch auch immer wieder etwas fertig, zum Beispiel Kreuzungen, Straßenabschnitte und das neue Geschäftshaus von C&A. Ich will ja nicht schon wieder quengeln und bemerken, dass in den letzten Monaten in Potsdam mehr aufgerissen wurde als zugeschippt und dass die Koordination der Bauarbeiten für so ungeduldige Charaktere wie mich schwer verständlich bleibt, aber wie sagt Schiller so schön: „Man muss Geduld mit unserer Schwachheit haben.“ Danke, Friedrich!

Und gerade in der Stadtmitte gibt es genug Belohnung der Geduld: das Stadtschloss ist fertig, die Stadt- und Landesbibliothek ebenfalls, das Potsdam-Museum hat fast termingerecht die Dauerausstellung eröffnet und bei ausreichender Geduld verschwindet auch noch die Fachhochschule. Bei ganz großer Geduld ziert die Mitte sogar irgendwann der Stadtkanal. Drei neue Kanalgeländerpfeiler vor der Bibliothek lassen mich auf Großtaten beim Weiterbau und auf jede Menge Gaststätten an seinen Kaimauern hoffen.

Verwöhnt werden wir mit Gaststätten am Wasser bisher ja nicht gerade in Potsdam. Schon wieder gibt es statt einer mehr am Havelmeer dort gar nichts mehr. Und wenn nicht endlich eine Entscheidung für die Gastronomie im Hafenbecken der Weißen Flotte fällt, dann, dann... Dann ärgere ich mich nicht etwa auf gesundheitsschädliche Art, sondern fahre einfach woanders hin. Vielleicht nochmal nach Barcelona. Dort haben sie kilometerlang stadtnahen Strand kostenlos für alle zur Verfügung gestellt und Restaurants ohne Ende ausgebaut. Geduldig und ohne Murren habe ich deshalb auch die Bettensteuer bezahlt.

Unsere Autorin ist langjährige Redakteurin und jetzt freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Potsdam.

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