
© A. Klaer
Trinkwasserbelastung in Potsdam: Gift aus dem Wasserhahn
Ein Babelsberger erhebt Vorwürfe gegen Stadt und Stadtwerke. Sein Hauswasseranschluss war aus Blei. Seine Kinder haben das giftige Schwermetall nun im Blut. Die Beschuldigten weisen die Kritik zurück.
Stand:
Potsdam - Für Marc Schmidt (* Namen geändert) war der Befund ein Schock. Seine beiden sieben- und zehnjährigen Kinder, Liam und Anne, haben überhöhte Bleiwerte im Blut, wie eine Untersuchung ergab. Dabei kann das giftige Schwermetall laut Bundesgesundheitsministerium bei Kindern zu Entwicklungsstörungen im Gehirn führen. Kurz gesagt: Blei macht dumm.
Die vermutliche Ursache für die Bleibelastung lag im Boden unter dem Eigenheim der Schmidts aus den 1930er-Jahren, das die Familie 2003 erwarb – der Hauswasseranschluss war damals noch aus Blei. Damit ist auch das Wasser belastet, wie die Schmidts bei Wasserproben im vergangenen Spätsommer feststellten – nachdem sich laut Schmidt ein Mitarbeiter der Stadt meldete und ihnen erklärte, sie müssten ihren Blei-Hausanschluss wechseln. Die Nachricht wühlt den Babelsberger noch heute auf. „Seit mehr als zwölf Jahren haben wir mit diesem giftigen Wasser den Babybrei angerührt, gekocht und es auch reichlich getrunken.“ Inwiefern die Kinder durch die laut Arzt noch geringgradige Blutbelastung mit Blei schon Schäden genommen hätten, sei noch unklar. Denn um die über die Jahre hinweg akkumulierte Bleimenge im Körper festzustellen und die Gesundheitsgefahr zu ermitteln, seien sehr körperbelastende Ausschwemmungstherapien nötig. „Darauf haben wir bisher verzichtet.“
"Potsdam vergiftet seine Kinder"
Vorwürfe erhebt Schmidt gegen die Stadt Potsdam und die kommunale Stadtwerke-Tochter Energie und Wasser Potsdam (EWP). „Potsdam vergiftet seine Kinder“, schreibt Schmidt in einer Mitteilung. Eigentlich dürfte das Thema Blei kein Problem mehr sein. Denn schon seit Ende 2013 gelten verschärfte neue Grenzwerte, seitdem dürfen pro Liter Wasser nicht mehr als 0,01 Milligramm Blei enthalten sein. An Schmidts Wasserhahn wurden Bleiwerte bis zu 0,063 Milligramm gemessen. Von den Verantwortlichen in der Stadt und bei den Stadtwerken fühlt er sich im Stich gelassen – daher hat Schmidt auch schon Strafanzeige wegen Körperverletzung gestellt. Allerdings hat es die Staatsanwaltschaft Potsdam bereits abgelehnt, Ermittlungen gegen die Behörden aufzunehmen: Für strafrechtliche Ermittlungen bestünden keine Anhaltspunkte.
Die Stadtverwaltung kennt den Fall. Es gebe eine umfangreiche Kommunikation mit der Familie, erklärte ein Stadtsprecher auf PNN-Anfrage. Zu Details des Einzelfalls könne man sich aber nicht äußern. Grundsätzlich gelte, dass bis zum Ende des Jahres alle alten Blei-Hausanschlüsse in Potsdam ausgebaut und neue Leitungen verlegt werden sollen – notfalls auch gegen den Willen und auf Kosten der Eigentümer, so der Sprecher.
Noch 280 alte Blei-Leitungen in Potsdam
Insgesamt bestünden in ganz Potsdam noch 280 alte Hausanschlussleitungen aus Blei, von denen 159 gerade ausgewechselt würden. Für die anderen Anschlüsse führe man Anhörungen oder Genehmigungsverfahren durch. Ein Anschluss koste durchschnittlich um die 2500 Euro, die Kosten würden gemäß der von den Stadtverordneten 2013 beschlossenen Wasserversorgungssatzung auf die jeweiligen Hauseigentümer umgelegt. Diese Satzung wiederum hält Marc Schmidt für rechtswidrig: Die Stadt habe sich damit aus der Verantwortung für das Bleileitungsproblem gestohlen und diese auf die Verbraucher abgewälzt, so seine Kritik. So soll auch seine Familie für den inzwischen erfolgten Austausch seines Hausanschlusses zahlen. Mit seinem Anwalt erwäge er daher auch eine Klage gegen die Satzung vor dem Verwaltungsgericht. Denn mit der Regelung würden Bundesverordnungen zur Wasserversorgung unterlaufen. „Diese bestimmen ganz klar, dass die Zuständigkeit bis zur Wasseruhr eindeutig beim jeweiligen Versorger liegt.“ Also den kommunalen Stadtwerken. Die Stadtverwaltung weise diese Sichtweise aber zurück, so ihr Sprecher.
Auch die Stadtwerke können keine Verantwortung erkennen. Ein Schadenersatzanspruch in dem Fall sei abgelehnt worden, da nicht alle geforderten Unterlagen übergeben wurden, teilte ein Stadtwerke- Sprecher auf PNN-Anfrage mit. Das Unternehmen selbst sei seiner seit 2013 bestehenden Informationspflicht nachgekommen, die Verbraucher zu informieren, wenn Leitungen aus Blei in der betriebenen Anlage vorhanden sind. Unter anderem seien Serienbriefe verschickt und in der Kundenzeitschrift „Quartett“ über das Problem aufgeklärt worden, hieß es. Schmidt dagegen sagt: „Uns ist nicht erinnerlich, dass wir informiert wurden. Broschüren und Werbepost fliegt bei uns ungesehen in die Papiertonne.“
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: