Landeshauptstadt: Glamour und Guerilla
Mit einem Straßenfest will die Initiative Dortu 65 die Innenstadt am Samstag zurückerobern
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Alternative Kultur hat es derzeit nicht leicht in Potsdam: Künstler müssen Band- und Atelierräume in der Alten Brauerei räumen, jetzt fällt auch noch die Fête de la musique aus. Auf die Misere – fehlende Räume und Verdrängung – will der Konsens e.V. am heutigen Samstag mit dem Fest „Bunt statt Mono“ in der Dortustraße hinweisen. „Potsdam hat genug Museen, die Stadt sollte auch darauf achten, dass die Innenstadt schön – also lebenswert – für Potsdamer selbst bleibt“, sagt Anja Falke vom Konsens-Verein. Dessen Mitglieder wollen die Potsdamer mit dem Fest ermutigen, sich zusammenzutun und die Innenstadt mit kleinen Initiativen ein bisschen lebenswerter zu machen.
Ein schöner Tag für alle soll es also werden, wenn Gaukler, Goldschmiede und Guerilla-Gärtner die Dortustraße bevölkern. Mit Letzteren kann man gemeinsam Blumenbomben basteln, kleine Samenpäckchen, die ihre subversive Wirkung wohl erst ein paar Wochen später entfalten. Schneller sichtbar – wenn auch nur temporär – werden die Ergebnisse des Graffiti-Workshops. Für den nötigen Glamour sorgt das Goldschmiedecafé Genna d’ Oro aus der Hermann-Elflein-Straße.
Die Kultur soll natürlich nicht zu kurz kommen, deshalb spielen natürlich auch eine ganze Reihe Potsdamer Bands, viele von ihnen stammen aus dem bedrohten Kosmos der Alten Brauerei. Disaster etwa bringen ihren Liedermacher-Grunge mit, ein bisschen grooviger wird es bei Rudy und seiner Band. Exotischer und sehr besonders wird es bei Arjopa: Die gebürtige Berlinerin ist nach eigenen Aussagen die einzige weibliche Kehlkopf-Sängerin der westlichen Welt. Sie mixt mongolischen Obertongesang mit Elektroklängen, Maultrommeln und Pferdekopfgeige.
„Wir haben etwas für jeden Geschmack dabei“, sagt Clara Falke. Die Tochter von Anja Falke ist noch Schülerin – und hat die Organisation des Straßenfestes, das in diesem Jahr zum dritten Mal stattfindet, in die Hand genommen. Sie hat eine kleine Fördersumme bei der Stadt beantragt – und bekommen, auch Stadtwerke und Asta unterstützen das Fest. Daneben gibt es natürlich noch die vielen freien oder soziokulturellen Projekte, Vereine und Initiativen der Stadt, die die Gelegenheit nutzen, um über ihre eigene Arbeit zu informieren: das alternative Kulturzentrum Archiv, der Buchladen Sputnik, der Verein Freifunk, der sich für freies W-Lan in der Stadt einsetzt, Concordia Nowawes und das Netzwerk Kulturlobby.
Nur einer fehlt: das freie Jugend- und Kulturzentrum Freiland. Die Haltung einiger der Verantwortlichen dort ist dem Konsens e. V. nicht offen genug. Grund sei etwa die Türpolitik im „Spartacus“-Klub, in dem schon mal jemand abgewiesen werde, der eine Burlesque-Tänzerin auf dem T-Shirt trage. „Ich denke, das ist nicht zeitgemäß, Leute nach ihrem Aussehen zu beurteilen. Jeder sollte das Recht haben, sich frei zu entfalten“, sagt Anja Falke. Trotzdem würde man das Freiland mit ins Boot holen, wenn Interesse bestehe. „Am Ende ist es doch traurig, wenn die freien Potsdamer Projekte miteinander im Clinch liegen anstatt zusammenzuhalten“, so Falke.
Ein verbindendes Moment auf ganz niedrigschwelliger Ebene soll die Tauschbörse beim Straßenfest sein: „Jeder bringt mit, was er nicht mehr braucht – und findet vielleicht etwas, das er gebrauchen kann.“ Ariane Lemme
Das Fest „Bunt statt Mono“ beginnt am heutigen Samstag um 15 Uhr in der Dortustraße. Der Eintritt ist frei.
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