Landeshauptstadt: Glänzende Oberflächen
Mit ihrem Studium war Susanne Taggesell unzufrieden, dann machte sie ein Praktikum bei einem Vergolder
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Auf den gerahmten Meisterbrief an der Wand hat Susanne Taggesell verzichtet. Stattdessen hat sie ihr Meisterstück in ihre Werkstatt gehängt. Es ist der Nachbau eines Bilderrahmens aus der Renaissance. Auf den ersten Blick ein protzig-goldenes Machwerk. Doch beim genauen Hinsehen offenbaren sich Details wie kleiner Blätterranken, die in aufwendiger Handarbeit hergestellt wurden. Susanne Taggesell nimmt sich Zeit und erklärt das goldene Schmuckstück. Und je mehr sie erklärt, umso deutlicher wird, dass das Vergolden nicht ohne Grund als Kunsthandwerk bezeichnet wird.
Im September hat die Vergoldermeisterin Susanne Taggesell ihre Werkstatt in der Ruinenbergstraße 2 eröffnet. Vor zehn Jahren zog sie mit ihrem Mann und den zwei Kindern von Hamburg nach Falkensee, später dann nach Potsdam, weil ihr die Stadt gleich vom ersten Besuch an gefallen hat. Als sie sich bei der Handwerkskammer eintragen ließ, sagte man ihr dort, dass sie seit 50 Jahren die erste Vergolderin in Potsdam sei. Wer ihre Werkstatt am Fuße des Ruinenbergs sucht, muss genau hinschauen. Es ist ein kleiner Raum, auf den kein großes Werbeschild am Haus hinweist. Hier geht die 40-Jährige ihrem Handwerk nach und vergoldet unter anderem Rahmen und Möbel. Wobei sie das eigentliche Vergolden als „Bonbon“ bezeichnet, das nach den aufwendigen Vorarbeiten auf sie wartet.
Aus Unzufriedenheit ist Susanne Taggesell zum Vergolden gekommen. In Bremen geboren, studierte sie in Hamburg Geologie und musste schnell feststellen, dass diese Fachrichtung nicht die ihre ist. Eine Freundin, die als Restauratorin arbeitete, wusste von dem kunsthistorischen Interesse bei Susanne Taggesell und empfahl ihr ein Praktikum bei einem Vergoldermeister. Und als sie in der Werkstatt zum ersten Mal mit dem hauchdünnen Blattgold in Berührung kam, dem Restaurieren alter Rahmen, den vielen feinen und aufwendigen Techniken die zum Vergolderhandwerk gehören, wusste sie, dass dies ihr Beruf ist. Mit Anfang 20 begann sie die Ausbildung, den praktischen Teil in Hamburg, den theoretischen in München. „In Bayern, wo die katholischen Kirchen noch prachtvoll geschmückt sind, hat das Kunsthandwerk des Vergoldens noch eine ganz andere Tradition. Dort findet man in fast jeder größeren Stadt ein Vergolder“, sagt Susanne Taggesell. Das ständige Pendeln zwischen Hamburg und München hat sie nie als Belastung empfunden. Im Gegenteil. „Weil in Bayern das Vergolderhandwerk noch so präsent ist, wird auch viel im Unterricht geboten.“ Diese intensive Auseinandersetzung habe sich auf alle Fälle ausgezahlt. Und bei Susanne Taggesell selbst ein handwerkliches Traditionsbewusstsein gefördert. Obwohl sie für die Selbständigkeit auf die Meisterprüfung hätte verzichten können, ist sie auch diese traditionelle Schule durchlaufen.
„Der Meisterbrief ist einfach ein Gütesiegel“, sagt Susanne Taggesell. Vor allem wer für Museen arbeiten will, für den sei der Meister Pflicht. Aber vielleicht ist es für Frauen noch immer eine Art Pflicht, sich gerade in traditionsbewussten Berufen wie dem Handwerk durch Qualifikationen zu rechtfertigen. Diesen Punkt scheint Susanne Taggesell überwunden zu haben.
Sie hat für die Neue Nationalgalerie, das Rote Rathaus, das Bode-Museum in Berlin und für Schloss Rheinsberg Rahmen restauriert und vergoldet. Manchmal sind das regelrechte Großaufträge, denn die Rahmen für das Rote Rathaus und das Bode-Museum waren zwischen sechs und sieben Metern lang und drei bis vier Meter hoch. Zwei Monate braucht sie für solche Rahmen. „Akkordarbeit“, sagt sie. Ein Großteil ihrer Arbeit sind jedoch Rahmen oder Möbel von Privatkunden.
Oft muss sie hier Bruchstellen reparieren oder fehlende Stellen ersetzen. Dieses Restaurieren sei oft das Zeitaufwendigste und Komplizierteste an ihrer Arbeit. Mit einem Messer und einer Art Pinsel aus Eichhörnchenschwanz wird dann das empfindliche Blattgold aufgetragen und mit Halbedelsteinen poliert. Doch nicht immer muss es Gold sein, womit Susanne Taggesell ganze Rahmen oder nur Teil verziert. Manchmal sieht es nur so aus. Und mit einem Augenzwinkern fügt sie den alten Spruch hinzu: „Es ist nicht alles Gold was glänzt“. Überzeugender als in ihrer Werkstatt können diese Worte kaum klingen.
Dirk Becker
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