Landeshauptstadt: Glaube auf Probe
Christliche Glaubenskurse erfreuen sich wachsender Beliebtheit – auch in Potsdam
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Entweder man ist in der Kirche oder man ist es nicht. Dazwischen scheint es in den meisten Gemeinden kaum Raum zu geben, in dem gläubige und nicht-religiöse Menschen miteinander in Kontakt treten können. Doch es gibt eine Zwischenebene: die Glaubenskurse. Deutschlandweit hat die evangelische Kirche ein Reformprojekt mit dem Titel „Erwachsen Glauben“ gestartet. Das Ziel: Es sollen sehr viel mehr Glaubenskurse als bislang angeboten und sie sollen auch besser koordiniert werden. Drei Städte dienten 2011 als Pilot-Projekte: Heidelberg, Dresden und Potsdam. Vier Glaubenskurse sind anlässlich dessen von „Erwachsen Glauben“ in der Landeshauptstadt gestartet worden – mit Erfolg.
Doch was sind Glaubenskurse eigentlich? „Es ist eine Gelegenheit für Menschen, den christlichen Glauben kennenzulernen“, sagt Andreas Schlamm, Leiter des Projekts. Wer an eine Art Konfirmandenunterricht für Erwachsene denkt, kann beruhigt sein: „Es ist nicht wie Religionsunterricht“, stellt Schlamm klar. Denn auch wenn ein wichtiger Teil der Glaubenskurse die Vermittlung christlicher Grundlagen beinhaltet, sind die Kurse in erster Linie offen für alle, die in irgendeiner Form am Glauben interessiert sind, auch in einem ganz allgemeinen oder kritischen Sinne. Die Glaubenskurse verstehen sich, so die Kirche, weder als Indoktrination noch Missionierung, sondern als Plattformen für Gespräche und Erfahrungsaustausch. „Was ist der Sinn des Lebens?“, „Warum lässt Gott Leid zu?“, „Was ist Kirche?“, „Vertragen sich Religion und Naturwissenschaft?“ Das sind häufige Fragen, die in den Gruppen thematisiert werden.
„Es kommen ganz unterschiedliche Menschen zu unseren Kursen“, sagt Joachim Zehner, Superintendent der evangelischen Kirche in Potsdam und Kursleiter. Verschiedenste soziale Gruppen, Berufe und Altersschichten seien vertreten. Auch die Motivation der Teilnehmer ist oft unterschiedlich: Nicht allen geht es darum, wieder in die Kirche einzutreten und sich nun darauf vorzubereiten. Viele sind auch skeptisch, wissensdurstig oder einfach neugierig. Oft ist auch der Lebenspartner oder ein Familienmitglied religiös, und die Kursteilnehmer suchen nach einer Möglichkeit, den anderen besser zu verstehen.
So wie Katja Kulowatz aus Potsdam: „Meine Tochter war die einzige in unserer Familie, die sich mit Religion beschäftigte“, berichtet die 39-jährige Lehrerin. Bereits als kleines Kind habe ihre Tochter öfters „mit Gott gesprochen“, und sie habe ihr das auch gar nicht ausreden wollen, so Kulowatz. In der Schule wollte das heute elfjährige Mädchen dann in den Religionsunterricht und einige Jahre später auch getauft werden. „Da habe ich gesagt: Na gut, dann müssen wir erst mal schauen, wie das überhaupt geht“, sagt Kulowatz. Um mehr über die Taufe zu erfahren und um den Glauben ihrer Tochter besser zu verstehen, besuchte sie daher 2011 den „Spur8“ betitelten Glaubenskurs von Joachim Zehner.
Geleitet werden die Kurse meist von Pfarrern, die allerdings oft eher moderieren statt zu referieren. Prüfungen oder ähnliches gibt es nicht, in der Regel ist die Teilnahme kostenfrei.
Es gibt verschiedenste Arten von Kursen: Manche konzentrieren sich eher auf Bibeltexte und christliche Grundlagen, andere nehmen auch philosophische, literarische und zeitgenössische Texte sowie Kunstwerke als Möglichkeit des Zugangs zur Hilfe. Dies scheint Erfolg zu haben: Die Kurse, die meist über zehn Abende gehen, haben im Durchschnitt regelmäßig zehn Teilnehmer. „Potsdam ist der einzige Kirchenkreis in Berlin und Brandenburg, der wächst“, sagt Andreas Schlamm. Etwa 25 Prozent der Potsdamer sind Mitglied der Kirche, sowohl auf evangelischer als auch auf katholischer Seite gibt es leichte Zuwächse. Ursachen seien der Zuzug aus den alten Bundesländern und die vielen jungen Familien in Potsdam: „Oft ist die Geburt eines Kindes der Auslöser für ein Nachdenken über Sinn- und Glaubensfragen im Leben“, sagt Michael Kreutzer vom Stadtkirchenpfarramt Potsdam. Seit Mai 2011 gibt es sogar eine „Wiedereintrittsstelle“ in der Nikolaikirche Potsdam, die von immer mehr Menschen angelaufen wird. „Man kann das sogar an unseren Verkaufszahlen für Teelichter sehen“, sagt Zehner. Immer mehr Menschen würden Kerzen in der Kirche anzünden.
In Brandenburg sieht es weitgehend anders aus: „Die neuen Bundesländer und Tschechien gelten als die kirchenfernsten Regionen weltweit“, so Wolfgang Hering, ehemaliger Pfarrer der Nikolaikirche. Gerade aus dieser Distanz heraus kämen jedoch immer wieder Menschen zu den Glaubenskursen, um zu erfahren, was es mit der Religion, die immerhin viele Spuren in der Kultur hinterlassen hat, auf sich hat.
„Immer als ich zu Weihnachten in der Kirche war, dachte ich: Eigentlich würdest du schon ganz gerne wissen, was das Ganze jetzt bedeutet“, meint Katja Kulowatz. Seit Kurzem versucht sie, auch privat mehr über das Christentum zu erfahren: „Ich besuche ab und zu Gottesdienste und habe zwei Bibeln auf meinem Nachttisch liegen, aber meist schlafe ich noch darüber ein“, gesteht sie. „Meine Tochter weiß nach wie vor besser darüber Bescheid!“
Glaubenskurse deutschlandweit finden sich unter www.kurse-zum-glauben.de
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