Von Günter Schenke: Glockenklang bei 7,50 Euro die Stunde
„Hau den Lukas“ am Brandenburger Tor / Für ein „Gutes Leben“ – Aktionskonferenz der IG Metall in Potsdam
Stand:
Innenstadt - Gleicher Lohn für gleiche Arbeit und ein Entgelt, das zum Leben reicht – diese gewerkschaftlichen Uralt-Themen standen im Mittelpunkt einer „Aktionskonferenz“ des IG Metall-Bezirks Berlin-Brandenburg-Sachsen am Samstag in Potsdam. Damit startet die IG-Metall laut eigenem Bekunden ihre für nächstes Jahr angekündigte Aktion „Gutes Leben“. Für dieses Ziel werde zunächst um mehr Gerechtigkeit gekämpft.
Beim „Hau den Lukas“ am Brandenburger Tor klingelte die Glocke erst, wenn der Klöppel bei der Mindestlohn-Marke von 7,50 Euro anschlug.
Dass die Mindestlohn-Forderung legitim ist, zeigt die Lohntabelle: Eine Wachdienstmann kriegt danach in Brandenburg einen Stundenlohn von 4,56 Euro und ein Fleischer in Nordrhein-Westfalen 6,45 Euro. Viele seien „arm trotz Arbeit“, heißt es. Auch in der Metall- und Elektroindustrie? „In unserem Bereich verdient keiner unter zehn Euro“, räumt Bernd Kruppa, Pressesprecher des IG-Metall-Bezirks, ein. Allerdings gebe es eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem Lohn nach Tarif und dem der Zeitarbeiter. Auf schwarz-weißen Würfeln war diese Ungleichheit kontrastreich dargestellt: Ein Ingenieur in Festanstellung verdient 1960 Euro brutto im Monat, hat 30 Tage Urlaub. Ein Ingenieur in Leiharbeit hingegen kriegt 1050 Euro brutto und 24 Urlaubstage. Ist das gerecht?
120 Vertrauensleute waren am Samstag zum Teil in Bussen aus dem näheren Umland sowie auch Chemnitz, Leipzig und Dresden zur Konferenz angereist und beteiligten sich anschließend an der zweistündigen Aktion. Im Mittelpunkt standen der in Baden-Württemberg erreichte Tarifabschluss: 4,2 Prozent mehr Lohn und 510 Euro Einmalzahlung. „Ein tragfähiger Kompromiss, der nächste Woche für unser Tarifgebiet bestätigt werden muss“, sagte Kruppa. Manche Kollegen sehen das Ergebnis jedoch skeptisch. Ein Meister von Bitzer-Klimaanlagen in Leipzig, der seinen Namen nicht nennen will, hegt Zweifel, dass die in zwei Staffeln vereinbarte Lohnerhöhung im zweiten Schritt überhaupt ankommt. Außerdem sei die um sechs Monate verlängerte Laufzeit des Tarifvertrages praktisch ein „Stillhalteabkommen“.
Die wirtschaftliche Krisenlage hat in vielen Bereichen zu Entlassungen und Produktionsstopps geführt. So berichtet der Betriebsrat des Chemnitzer Continental-Werkes von Drosselungen der Fertigung; BMW haben 400 Zeitarbeitskräfte entlassen. Prekär auch die Situation beim Thyssen-Krupp Industrieservice (TKIN), einem BMW Zulieferer und beim Solar-Hersteller Infineon in Dresden. Von der Freisetzung von 250 bis 300 Zeitarbeitern berichtet Betriebsrätin Kerstin Schulzendorf. Einige hätten zwar Angebote in Frankfurt an der Oder erhalten, wenn sie diese aber nicht annehmen könnten, würden sie gekündigt.
Dass nicht überall die Zeit- oder Leiharbeit negativ enden muss, erzählt ein TKIN-Monteur, der BMW-Achsen am Band zusammenbaut. „Wir haben mit fünf Euro angefangen, sind jetzt bei 9,60 Euro und gehören gleichberechtigt zur Belegschaft. Seinen Namen will der Monteur wie die meisten anderen Vertrauensleute nicht preisgeben. Der Arbeitgeber könne Äußerungen aus dem Unternehmen zum Anlass für Repressalien nehmen, hieß es.
Die Politik sei ebenfalls Leiharbeit, lautet der provokante Spruch auf einem Poster der Gewerkschaftsaktion. „Leiharbeit mit Selbstbedienungslohn“ – so die Erklärung.
Günter Schenke
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: