Landeshauptstadt: Glockenspiel-Reste vom Schutt geholt
Potsdam-Museum bewahrte 38 Jahre lang Originalteile der Garnisonkirche auf / Ausstellung ab 23. Juni
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Der junge Mann, der im Juni 1968 in den Trümmerbergen an der Breiten Straße wühlt, erregt Misstrauen. Doch seine Suche ist „staatlich legalisiert“. Wenn es darauf ankommt, kann er eine „Genehmigung“ mit Stempel und Unterschrift des Stadtrates Nutbohm vorweisen: „Der Abteilungsleiter vom Bezirksheimatmuseum Hartmut Knitter erhält die Genehmigung, aus den Trümmern der Ruine der ehemaligen Garnisonkirche Teile für das Bezirksheimatmuseum zu bergen.“ Gestern stand Knitter wieder an alter Stelle und besah die Stücke, die 38 Jahre nach ihrer Bergung erstmals wieder ans Licht der Öffentlichkeit gelangen.
„Viereinhalb Tonnen wiegt das Teil hier“, sagt Andreas John von der Naturstein GmbH und zeigt auf ein Säulenfragment. Mit schwerem Gerät sind die Teile von der Puschkinallee in den Glaskasten vor dem Rechenzentrum transportiert worden. „Dass die Stücke dabei heil bleiben“, das sei die größte Sorge gewesen, sagt Steinmetz Holger Behnke und fügt selbstbewusst hinzu: „Deshalb haben wir ja den Auftrag gekriegt.“
Das war vor 38 Jahren komplizierter. „Die Rettung der Fassadenfragmente ist dem glücklichen Umstand zu verdanken, dass wir Leute vom Bau kannten“, erinnert sich Knitter. Für 150 DDR-Mark brachten diese die schweren Sandstein-Teile in das Freiluft-Depot.
„Ich werde diese Tage im Mai bis Juli 1968, als laufend gesprengt und der Schutt abgefahren wurde, nie vergessen“, sagt Knitter. Und: „Wir standen hilflos daneben.“ Es sei vor allem dem damaligen Leiter des Potsdam-Museums Werner Wolf zu verdanken, dass einige wenige historisch wertvolle Teile für die Nachwelt erhalten blieben. Man müsse sich vergegenwärtigen, dass die Garnisonkirche bereits stand, als vom Schloss Sanssouci noch kein Stein zu sehen war.
Unter den Stücken sind Reste des Glockenspiels, zwei Kapitelle und eine kupferne Trophäe vom Turm. Sie sind gestern an alter Stelle aufgestellt worden. „Dort wo jetzt die Kamera steht“, ruft Knitter, „befand sich einst die Gruft“. Fragmente des Deckels vom Marmorsarkophag Friedrich Wilhelms I. seien noch vorhanden, informiert der Leiter des Potsdam-Museums Hannes Wittenberg. Sie würden später hergebracht.
„Für mich war die größte Überraschung, dass noch so viele Teile des Ziffernblattes der Turmuhr erhalten sind“, sagt Andreas Kitschke, der die Bestände gesichtet hat und sie nun für die Präsentation vorbereitet. Als Ergebnis seiner Untersuchung liegt erstmals ein Bestandskatalog vor. Von Kitschke stammt auch eine Darstellung, welche die Fragmente der gemauerten und mit Sandstein verzierten Fassade darstellt. Gemessen am Gesamtschmuck ist es nur wenig. „Aber für die Rekonstruktion ist jedes Fundstück von großer Bedeutung“, erläutert Kitschke. Der Kirchenhistoriker verweist darauf, dass kürzlich bei den Grabungen am Brauhausberg zirka vierzig Gesimsteile der Garnisonkirche zutage traten. „Da werden wir noch mehr finden“, ist er überzeugt.
Stadtkirchenpfarrer Markus Schütte, gleichzeitig stellvertretender Vorsitzender der Fördergesellschaft zum Wiederaufbau der Garnisonkirche, will einen Teil des Raumes für Veranstaltungen und zu Andachten nutzen . Und Oberbürgermeister Jann Jakobs äußert optimistisch, dass die jetzt wieder zugänglich gemachten Architekturfragmente „ein ganz neues Licht auf den Wiederaufbau werfen“ und sicher dazu führen werden, weitere Spenden einzuwerben.
Günter Schenke
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