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Auch andere Spirituosen aus dem Norden sind an seinem Stand zu haben.

© A. Klaer

Besuch auf Potsdams beliebtestem Glühweinstand: Glögg gehabt

Der beste Glühwein Potsdams kommt aus Schweden, heißt es – und ist eigentlich kein Wein. Wir haben ihn auf der Brandenburger Straße probiert.

Stand:

Potsdam - Ein bisschen Suchen gehört dazu, wenn man nach Einbruch der Dunkelheit den besten Glühweinstand der Potsdamer Weihnachtsmärkte finden will. Das waren immerhin drei am vergangenen Wochenende: Der Böhmische Weihnachtsmarkt auf dem Babelsberger Weberplatz, der in diesem Jahr zwei Wochenenden stattfand, der polnische Weihnachtsmarkt auf dem Kutschstallhof – und natürlich der traditionelle, der sich die Brandenburger Straße bis zum Luisenplatz entlangzieht.

Und irgendwo auf der Brandenburger Straße gibt es den schwedischen Glühwein, „Gloegglich“ heißt der Stand, da steckt das schwedische Wort „Glögg“ drin – kein Glühwein eigentlich, sondern ein Punsch, der aus Äpfeln und Preiselbeeren gewonnen wird. Wenn man am Luisenplatz startet und es bereits dämmert, braucht man schon ein Weilchen bis zum Ziel, gemächlich bewegt sich die Menschenmasse fort, Schritt für Schritt. Dann endlich, an der Kreuzung von Brandenburger und Jägerstraße, wehen schwedische Flaggen auf dem Holzverschlag, blaugelbe Ikearomantik, umgeben von einem blinkenden Handtaschenstand und einer Thüringer Bratwurstbude.

Mittlerweile ist der "Glühweinkrieg" Geschichte

2014 hat Dietmar Teickner den Stand erstmals aufgebaut, zum Ärger eines Finnen aus Berlin, der die zwei Jahre davor mit einem ähnlichen Angebot auf dem Markt erfolgreich war, dann aber das Nachsehen hatte. Mittlerweile ist der „Glühweinkrieg“ Geschichte, Teickners Glögg wurde schon zweimal zum besten Glühwein Potsdams gewählt. Das können wir natürlich nicht ungeprüft stehen lassen: Also her mit dem roten Gebräu, in das eigentlich noch Rosinen und Mandeln gehören. Das gibt es aber nicht sofort auf die Hand, sondern erst nach etwas Geduld: Der Stand ist nämlich gut besucht, Qualität spricht sich herum.

Erster Kontakt mit dem Schwedentrunk: Der ist angenehm warm, aber nicht so lippenverbrennend heiß wie an manchen anderen Ständen, sehr süß, aber mit einem angenehmen Konglomerat aus Preiselbeeren und Kardamom. Die Füße sind kalt, aber der süße Elfprozentige schafft es ziemlich schnell, ein angenehmes Egalgefühl herzustellen. Dazu diese herrlich hauchdünnen schwedischen Kekse, „Nyåkers Pepparkakor“, aus der skandinavischen Provinz. Und zack: Schon ist die erste Tasse alle. Nachschub.

Kälte und Glühwein verbinden

Am besten ist, wenn man sich – zumindest samstags – gleich hinten anstellt, sobald man sich eine Tasse geholt hat, das spart die Wartezeit. Also noch einen Glögg, einen Keks – und eine Portion Köttbullar bitte, wer trinkt, muss auch essen. Die Hackbällchen für drei Euro haben souveräne Ikeaqualität, vielleicht nicht gerade Astrid Lindgrens Hausrezept, aber mit dem Klacks Preiselbeeren immer noch ziemlich lecker. Der Glögg dampft dazu aus der weißen Tasse mit dem aufgedruckten grinsenden Gesicht, leider schon wieder viel zu schnell alle. Also noch mal anstellen. Mittlerweile sind die Füße zwar immer noch kalt, aber das spielt keine Rolle mehr.

Nebenbei befreundet man sich mit den Gästen am Tisch, Kälte und Glühwein verbinden, es wird gelacht und den Hundebesitzern, die ihre Vierbeiner auf den Weihnachtsmarkt schleppen, eine gewisse Rücksichtslosigkeit attestiert, da ist man sich schnell einig. Hoch die Tassen, während sich die träge Masse der Weihnachtsmarktbesucher an den Tischen behäbig vorbeischiebt. Holen wir noch eine Runde? Wer geht diesmal?

Mittlerweile ist "Gloegglich" eine Marke

Der Erfinder des schwedischen Glühweinstandes steht währenddessen hinter seiner Hütte und raucht einen Zigarillo. Dietmar Teickner leitet das „Lakritzkontor“ in der Jägerstraße 21 und ist damit den Schweden schon freundschaftlich verbunden: Schwedische Lakritze sei die beste der ganzen Welt. Aber auch der schwedische Glögg stand in Flaschen in seinem Laden, bis die Leute ihm vorschlugen, dass er mal einen Stand damit zum Weihnachtsmarkt machen solle. „Richtig Bock hatte ich erst nicht“, sagt Teickner. Aber 2014 macht er dann doch den Papierkram mit der Anmeldung. Mittlerweile ist „Gloegglich“ eine Marke, es gibt blaue Mützen mit dem Schriftzug, die Tageseinnahmen des ersten Feiertags spendet Teickner traditionell: 2014 war die Spirellibande der Arbeiterwohlfahrt dran, letztes Jahr ging die Spende an die Flüchtlingsmannschaft „Welcome United 03“, klarer Fall für Nulldrei-Fan Teickner, und dieses Jahr an den Baldachin e.V., der Potsdamer Obdachlosen Rucksäcke zur Verfügung stellt.

„Und, isser gut?“, ruft Dietmar Teickner zu den Tischen. „Ja“, ruft es zurück, „aber der verdunstet so schnell!“ Teickner grinst zurück, er hat auch alkoholfreien Punsch im Angebot, „Unglögg“ heißt der, aber der alkoholische verkauft sich natürlich besser. Letztes Jahr sei eine Handballmannschaft da gewesen, elf Glögg habe jeder getrunken, „aber die konnten noch stehen“. Kalte Füße werden sie wohl nicht mehr gespürt haben.

Oliver Dietrich

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