Sport: Glückliche Hängepartie
Sabine Lisickis Drittrundenspiel gegen Ana Ivanovic zieht sich über Tage – am Ende gewinnt sie es aber
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London - Sabine Lisicki liebt die Tradition in Wimbledon. In überwiegend weißer Kleidung zu spielen, und noch dazu auf dem so speziellen Rasenuntergrund und in der so gediegenen Atmosphäre des All England Clubs, die ein wenig an längst vergangene Tage erinnert. Von diesen Sitten wird in Wimbledon auch um keinen Millimeter abgewichen. Aber so sehr Lisicki die britische Etikette genießt, sie hätte sich wohl dennoch gewünscht, dass eine der Regeln aufgehoben und am berühmten spielfreien „Middle Sunday“ eben doch gespielt worden wäre. So aber hing die 24 Jahre alte Berlinerin seit Samstagabend mit ihrer Drittrundenpartie gegen Ana Ivanovic in der Warteschleife und konnte sie erst am Montagnachmittag zu Ende bringen – mit einer weiteren Unterbrechung, doch am Ende mit dem 6:4, 3:6 und 6:1-Sieg.
Mit einem spitzen Freudenschrei beendete Lisicki die Partie, nachdem sie der Weltranglisten-Elften aus Serbien ihr siebtes Ass entgegen gefeuert hatte. Und Lisicki wollte gar nicht mehr aufhören, zu strahlen und freudig ausgelassen über den Rasen zu hüpfen. Die Erleichterung musste irgendwie raus. „Ich glaube, ich habe noch nie so lange gebraucht, um ein Match zu beenden“, sagte sie.
Denn es war nichts für schwache Nerven gewesen, was Lisicki durchstehen musste, um ins Achtelfinale einzuziehen und sich die Chance auf das erneute Finale zu erhalten. Zunächst kam die stundenlange Warterei am Samstag, bei der nie klar war, wann und ob überhaupt noch gespielt werden könnte. Immer pendelte Lisicki zwischen aufwärmen, etwas essen, wieder aufwärmen, irgendwie im Trubel der überfüllten Player's Lounge entspannen und dabei gleichzeitig die Spannung hochhalten. Das ist kaum möglich und doch nötig. Mehr noch, wenn am späten Abend plötzlich doch noch das Signal zum Rausgehen gegeben wird. Um kurz vor 20 Uhr Londoner Ortszeit am Samstagabend hatte Lisicki noch den Court No. 1 betreten, obwohl bereits zu ahnen war, dass es bei der bedeckten Wetterlage nicht mehr lange genug hell bleiben würde, um die Partie beenden zu können. So eilte die Oberschiedsrichterin dann auch nicht unerwartet nach weniger als einer Stunde auf den Platz. Lisicki hatte gerade den ersten Durchgang gewonnen und wollte natürlich das Momentum nutzen und weiterspielen. Eine minutenlange Diskussion zwischen Spielerinnen und Offiziellen folgte, denn Ivanovic wollte sehr gerne die Unterbrechung. Die Schiedsrichterin ließ sich jedoch nur noch kurz erweichen, dann ging es beim Stand von 1:1 in die Pause.
Und die dauerte gut 40 Stunden, bevor es am Montagmittag um 13 Uhr Londoner Ortszeit weiter ging. Doch die ersten dunklen Wolken, die über die Anlage hinweg zogen, sollten dann schon bald für die nächste Unterbrechung sorgen. Ivanovic war besser in die Fortsetzung gestartet, während Lisicki etwas verkrampft wirkte und ihr etliche Fehler unterliefen. Mit 5:2 lag die Serbin vorne, die Lisicki zuletzt im April beim Turnier in Stuttgart schmerzlich düpiert hatte, und die Berlinerin schlug auf. Beim Stand von 40 beide prasselte der Regen schließlich zu stark und auch Lisicki hatte dieses Mal nichts gegen die Unterbrechung einzuwenden. Wieder ging es zurück in die Umkleide, nach 25 Minuten Spielzeit am Montag. Wieder mussten sie warten, 70 Minuten lang.
Doch dieses Mal kam Lisicki wacher aus den Startlöchern und endlich gelangen ihr auch mehr Winner. 40 dieser Schläge hatte sie am Ende insgesamt gespielt, und ihre wesentlich aggressivere Spielweise auf der letzten Etappe der Partie brachte schließlich den deutlichen Sieg über die Favoritin. „Anfangs hat Ana sehr viele Winner geschlagen“, erklärte Lisicki, „aber am Ende hatte ich dann mehr.“ Im Achtelfinale, das sie aufgrund der Hängepartie bereits heute gegen die Kasachin Jaroslawa Schwedowa austragen muss, wird sich Lisicki dennoch weiter steigern müssen. „Bisher habe ich von Runde zu Runde besser gespielt“, betonte sie, „und auf diesem Rasen fühle ich mich ohnehin am Wohlsten.“ Petra Philippsen
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