Landeshauptstadt: Glückliche Töchter
Frauentag im „Thalia“ - Eindrücke und Gespräche
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„Glückliche Töchter“ schrieb eine Mutter auf einen Zettel für die Pinnwand, auf der die Potsdamerinnen unerfüllte Wünsche äußern konnten. Die Wand war gestern während der Frauentagsfeier aufgehängt, zu der Sabina Scheuerer als Potsdamer Gleichstellungsbeauftragte eingeladen hatte. Da der Weltfrauentag diesmal auf einen Sonntag fiel, wurde die Feier als Matinee und erstmals im Thalia-Kino veranstaltet, das mit seinen vier Sälen beste Möglichkeiten für ein abwechslungsreiches Programm bot. Neben Filmvorführungen – so des neuen Dokumentarstreifens „Migrantinnen“ von Katharina Riedel –, Buchlesungen zum Beispiel mit Christa Kozik, Musik der „Musetten“, Imbiss und Getränken waren für viele Besucherinnen der Matinee Gespräch und Meinungsaustausch von hoher Bedeutung.
Mit fünf Schulfreundinnen aus der Bruno H. Bürgel-Schule war Doris H. ins Thalia gekommen. Die 64-jährige ehemalige Schriftsetzerin hat sich, als nach der deutschen Wiedervereinigung Computer und Film Bleisatz und Druckerschwärze ablösten, durch eine Umschulung in Arbeit gehalten. Für sie waren die Jahre nach der Wende eine aufregende und schöne Zeit.
Keine Zukunftsangst hat auch die 27-jährige Claudia S., die mit ihrer Mutter zur Feier gekommen ist. Sie steht vor dem erfolgreichen Abschluss ihres Lehramtsstudiums als Deutschlehrerin und Kunsterzieherin. Dass an der Uni Potsdam das letztgenannte Fach nicht mehr gegeben werden soll, hat allerdings auch ihren Protest ausgelöst, sei die musische Bildung doch von großer Bedeutung für die Persönlichkeit junger Menschen. Die durch ihre Mitwirkung bei der Gründung des Frauenhauses und ihren Einsatz in der Krebshilfe stadtbekannte Renate Jungmann (79) hat ihre sechs Jahre ältere Freundin Maria H. mitgebracht, damit die mal unter die Leute kommt. Sie verlebe ihr Alter in Zufriedenheit, sagt sie. Sie habe die in der DDR-Zeit für Frauen durchaus vorhandenen Bildungs- und Aufstiegschancen genutzt, deshalb bekomme sie jetzt eine vernünftige Rente.
Im Gespräch mit den PNN bekräftigte Sabina Scheuerer die positive Grundstimmung unter Potsdams Frauen. So seien die Bemühungen der Stadt anzuerkennen, auf die wieder zunehmende Geburtenrate durch den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen zu reagieren. Offene Probleme gebe es dennoch zur Genüge, stellte die Gleichstellungsbeauftragte klar.
Im Grad der Arbeitslosigkeit gebe es in Potsdam keine großen Unterschiede zwischen Männern und Frauen, problematisch sei vielmehr die geringe, teils niedriger beruflicher Qualifikation geschuldeten Bezahlung gerade jüngerer und alleinerziehender Frauen. Die Politik sei gefordert, hier für Änderungen zu sorgen. In der Frauenwoche und der Matinee zum Frauentag werde deshalb besonders auf die in diesem Jahr anstehenden Bundes- und Landtagswahlen aufmerksam gemacht, für die die Frauen ihre Forderungen artikulieren sollten.
Knallharte Forderungen an die Stadt suchte der Betrachter allerdings auch am Ende der Veranstaltung, gegen 15 Uhr, vergeblich. Auf der Pinnwand waren vielmehr allgemeinere Wünsche nach einem Mietstopp, Generationengerechtigkeit, besserer Kinderbetreuung, einer auch nach neuen Mitstreiterinnen für das autonome Frauenhaus zu lesen.
Erhart Hohenstein
Erhart Hohenstein
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