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PYAnissimo: Golf im Schafspelz

Ich wusste es die ganze Zeit. Das mit der Zeppelinstraße, daran sind wir nicht schuld.

Stand:

Ich wusste es die ganze Zeit. Das mit der Zeppelinstraße, daran sind wir nicht schuld. Wir können gar nichts dafür, wenn die Luft in Potsdam so schlecht ist. Schuld sind die hohen Anforderungen, also die niedrigen Grenzwerte. Die sind viel zu niedrig angesetzt, weil für die Berechnung gefälschte Daten herangezogen wurden. Irgendwo saß jemand in der EU am Schreibtisch, hat sich die ASU-Messwerte angeschaut und einen Durchschnitt oder so was errechnet. Er ist nicht zu Unrecht davon ausgegangen, dass auch in Potsdam viele einen Volkswagen oder Audi oder Skoda fahren. Und dachte sich: Wunderbar, niedrige Schadstoffwerte, das halten wir mal fest, das machen wir amtlich. Und Rums war da dieser Grenzwert.

Oder jemand ist auf so eine fiese Spam- Mail reingefallen. Zwischen „Welcher akademische Titel darfs denn sein“, „Penisverlängerung jetzt“, „Essen Sie sich schlank“ stand plötzlich „So messen Sie richtig.“ Wir wollen eben gern eine schöne heile Welt, da steckt man notfalls den Golf mal eben in den Schafspelz.

Natürlich kam dann die Realität, Potsdams Autofahrer haben ihre Wagen tatsächlich bestimmungsgemäß benutzt, und schon sah alles ganz anders aus, die Pegel schlugen aus, die Alarmglocken schrillten, Arbeitskreise wurden gegründet, Experten berufen, Teststrecken eingerichtet.

Für den Schlamassel sind aber gar nicht wir Bürger verantwortlich, wir, die wir unsere lieben Kinder wegbringen, Wasserkisten einkaufen, Großmütter chauffieren. Nein, das waren die übereifrigen Beamten in Brüssel und die Messwertemafia. Diese Fälscherbande. Wenn es nach dem Verursacherprinzip geht, schulden sie uns also eine Verkehrslösung – sollen sie sich mal Gedanken machen.

Wir können alternativ natürlich alle auf Elektro umsteigen. Leider derzeit noch ein bisschen teuer und unpraktisch. Und gefährlich, weil man sich im Straßenverkehr nicht mehr auf sein Gehör verlassen kann. Einmal nicht links geschaut und zack liegt man beim Tesla, der lautlos herangeschossen kam, auf der Kühlerhaube. Oder wie auch immer das Dings dann heißt, wenn es drunter keinen Kühler mehr gibt.

Dann doch lieber Verzicht üben? Oder laufen statt fahren? Ich versuche beides, laufe, also spaziere, jetzt immer morgens durch den Wald, von Ferne rauscht die Autobahn. Nach drei Wochen kann ich erste Erfolge verzeichnen: Ich habe festgestellt, dass die Parforceheide im morgendlichen Herbstlicht außerordentlich schön aussieht. Ich werde schon gegrüßt - von all den Joggern, die mich überholen. Und ich bin nicht mehr komplett atemlos, wenn ich zur Tram renne.

Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg

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