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Landeshauptstadt: Good bye, Lenin – aber nicht für immer

Oldenburger Projektentwickler will das Denkmal zurückbringen / Untere Denkmalbehörde über Abtransport nicht informiert / Konzept für Areal um das Konzerthaus noch offen

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Oldenburger Projektentwickler will das Denkmal zurückbringen / Untere Denkmalbehörde über Abtransport nicht informiert / Konzept für Areal um das Konzerthaus noch offen Von Günter Schenke Jägervorstadt - Die Lenin-Statue vor dem ehemaligen Haus der sowjetischen Offiziere wird wieder nach Potsdam zurückkehren. Das versicherte der Oldenburger Projektentwickler Dirk Onnen gestern den PNN. „Wir haben die Bronzestatue abgenommen und gesichert“, sagt Onnen. In Potsdam habe er keine Möglichkeit gesehen, die überlebensgroße Figur einzulagern. Onnen, der das ehemalige Werner-Alfred-Bad zu einem Therapiezentrum entwickelt und das darneben befindliche Gebäude für betreutes Wohnen umbaut, hatte die Lenin-Statue vor 14 Tagen, ohne die Untere Denkmalbehörde zu informieren, vom Sockel schrauben und nach Oldenburg abtransportieren lassen. Es sei bereits ein Kran gegen den Sockel gestoßen, begründet er die Maßnahme. Er habe jedoch bald gemerkt, dass es in Potsdam viele Leute gebe, die daran hängen. Von der Leiterin des Prokurand-Pflegeheims hätte er zum Beispiel die Aufforderung erhalten: „Herr Onnen, rücken Sie den Lenin wieder raus.“ Und Johanna Neuperdt von der Unteren Denkmalbehörde habe über den Verbleib des Denkmals schriftlich um Auskunft ersucht. Im „Verzeichnis der eingetragenen Denkmale der Stadt Potsdam“ vom Juni 2001 ist es unter IV (Jägervorstadt), Hegelallee 62 „Gedenkstätte zum 100. Geburtstag von W.I. Lenin“ zu finden. Demnach hätte es am hundertsten Geburtstag Lenins 1970 aufgestellt werden müssen. Laut den Unterlagen des Bereichs Denkmalpflege erfolgte aber erst 1974 die Aufstellung. Bemerkenswert an der Eintragung: Nicht allein die Skulptur, sondern die „Gedenkstätte“ als Ganzes steht unter Schutz. Onnen sagt dazu, dass für ihn ein renommierter Außengestalter tätig sei. Es sei vorgesehen, den kleinen Park nicht nur zu erhalten, sondern auch neu zu gestalten. „In diesem Zusammenhang wollen wir den Aufstellungsort für Lenin diskutieren“, so der Projektentwickler. Derzeit stehe noch nicht fest, was aus dem Gelände insgesamt werden soll. Onnen strebe ein Konzept, dass neben dem Konzerthaus-Areal den Standort des früheren Persius-Wohnhauses sowie des ehemaligen DDR-Intershops umfasst, an. Es seien Grundstücksfragen zu klären und eine Nutzung zu konzipieren, ehe überhaupt Baurecht geschaffen werden könne. „Fünf bis sieben Monate“ müsse daher Lenin noch im Exil in Oldenburg verbleiben. In der Stadtverordnetenversammlung hatte die Nacht- und Nebelaktion zum Abtransport des Denkmals PDS-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg veranlasst, die Verwaltung aufzufordern, das Denkmal zurückbringen zu lassen, da es in der Denkmalliste der Stadt enthalten sei. Baubeigeordnete Elke von Kuick-Frenz hatte daraufhin versprochen: „Ich werde mich darum kümmern.“ Mit Bezug auf die PDS-Anfrage warf der Kreisvorsitzende der Jungen Union Hans-Wilhelm Dünn dem PDS-Fraktionschef vor, „wohl vergessen zu haben, welches Leid mit der Person Lenin verbunden ist und wie viele Menschen in seinem Namen sterben mussten.“ Er wehre sich dagegen, „Relikte verbrecherischer Systeme von Privatpersonen abzukaufen“. Letzteres sei jedoch weder beabsichtigt noch nötig, stellt Scharfenberg klar. In der Tat gehört das Denkmal den Erwerbern der Liegenschaft, der Norddeutschen Boden AG in Oldenburg. Trotzdem darf der Eigentümer mit einem eingetragenen Denkmal nicht verfahren, wie es ihm beliebt. Laut Stadtkonservator Andreas Kalesse müsse eine Erlaubnis eingeholt werden. Wenn der Bauherr das Bildwerk wegen des Baustellenbetriebes sicherstellen musste, entspreche das seiner Sorgfaltspflicht. Die Erlaubnis hierfür könne er auch im Nachhinein einholen. Bei der städtischen Denkmalpflege gebe es kein Depot, in dem die Zwischenlagerung möglich sei. Kalesse hatte bereits 1991, also kurze Zeit nach seinem Amtsantritt in Potsdam, eine Expertise über die aus der DDR-Zeit stammenden „politischen Denkmale“ anfertigen lassen. Die damit betraute Kunsthistorikerin Dr. Christiane Theiselmann habe Lenin als „nicht wertvolles Kunstwerk“ eingestuft. Der Kopf sei eine verkleinerte Version eines Werkes von Nikolai Tomski. Dessen monumentales Lenindenkmal war im Jahre 1970 auf dem heutigen Platz der Vereinten Nationen in Berlin, dem damaligen Leninplatz, aufgestellt worden. Obwohl ein „Massenbildwerk“, sei das Lenindenkmal auf dem Platz vor dem früheren Haus der sowjetischen Offiziere ein „zeithistorisches Dokument“. „Abbauen und verkaufen – das wäre ein Ding“, sagt Kalesse. Wenn es wegen einer wichtigen Investition nicht mehr auf dem originalen Platz aufgestellt werden könne, wäre das Potsdam-Museum eine akzeptable Möglichkeit. „Und wenn der Eigentümer sagt: ich belasse es auf dem alten Platz – dann finde ich das gut“, so der Denkmalexperte.

Günter Schenke

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