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Mit Symbolgehalt. Harald Bretschneider erfand als Landesjugendpfarrer in Sachsen das „Schwerter zu Pflugscharen“-Symbol der kirchlichen Friedensbewegung in der DDR.

© A. Klaer

Landeshauptstadt: Gottgegeben

Harald Bretschneider sprach in Potsdam über die Geschichte von „Schwerter zu Pflugscharen“.

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Seine Mutter zog ihn 1945 aus einem bombardierten Haus in Dresden, in der Grundschule musste er schwören, „nie eine Waffe in die Hand“ zu nehmen, er weigerte sich, „freiwillig“ der Nationalen Volksarmee zu dienen und wurde als Elftklässler dafür drangsaliert, später war er Bausoldat und Pfarrer. 1980 schuf er die Symbole der kirchlichen DDR-Friedensbewegung „Schwerter zu Pflugscharen“ und „Frieden schaffen ohne Waffen“: Harald Bretschneider, heute 70 Jahre alt und Pfarrer im Ruhestand.

Am Donnerstagabend sprach Bretschneider in der Evangelischen Studierendengemeinde in der Gutenbergstraße 71 über die Entstehung der Vignette, die einen Mann darstellt, der ein Schwert zu einer Pflugschar umschmiedet. Damit initiierte Bretschneider die erste Friedensdekade in der DDR. Höhepunkt waren runde Parka-Aufnäher mit diesem Symbol. „Dieser Aufnäher hat die DDR in Aufregung versetzt, das kann sich heute kaum jemand vorstellen“, sagt Bretschneider.

Der Pfarrer erzählt, dass das Wettrüsten, speziell die „Militarisierung des ganzen Systems DDR“, der Ausgangspunkt für seine Aktivität war. Vom „patriotischen Spielzeug“ über die Einführung des Wehrunterrichts 1976 bis zur Stationierung von Atomraketen reichte die Skala. Kritische junge Männer standen vor der Entscheidung: Armee, Bausoldat oder zwei Jahre Gefängnis. „Wir waren überzeugt, wenn das einmal losgeht, ist in ganz Mitteldeutschland Tabula rasa.“

„Als Landesjugendpfarrer in Sachsen schenkte mir der liebe Gott ein paar Ideen“, erzählt er und erwähnt die „Erfindung“ eines Lesezeichens mit dem Friedenssymbol. Dieses ist nach einer Bronzeskulptur des Bildhauers Jewgeni Wutschetitsch von der Grafikerin Ingeborg Geißler gezeichnet. Am 4. Dezember 1959 hatte die Sowjetunion der UNO diese monumentale Darstellung eines muskulösen Mannes, der aus einem Schwert einen Pflug schmiedet, geschenkt. Das Kunstwerk steht heute im Garten des UNO-Hauptquartiers in New York City. Die Wort-Idee stammt aus dem Alten Testament. So heißt es im Buch Micha prophetisch: „Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere ein Schwert aufheben und werden nicht mehr kriegen lernen.“

Zur Wirkung sagt Bretschneider: „ Dieses Bibelwort hat so eine Kraft entfaltet, wie es sie seit der Reformation nicht mehr gegeben hatte.“ Die andere Seite: Die DDR verfolgte die Jugendlichen mit den „Schwerter zu Pflugscharen“-Aufnähern erbarmungslos. Wer das Symbol nicht entfernte, wurde aus Hochschulen oder Erweiterten Oberschulen entlassen. Strafversetzung, Verweigerung der Ausbildung, Betretungsverbote für Schulen und Betriebe waren weitere Maßnahmen. Laut Bretschneider gab es Verurteilungen mit Gefängnis. Lehrer, Zoll und Polizei schnitten die Aufnäher aus Jacken heraus. „Wir hatten die Weisung, jeden Schüler zu melden, der das Symbol trug“, erzählt eine Berufsschullehrerin aus Potsdam. Und: „Ich hatte große Angst, dass etwas in meiner Klasse passierte und ich einen Schüler melden musste.“ Sie habe mit Berufsschülern gesprochen, um sie von der Symbolik im Interesse der eigenen Sicherheit abzuhalten.

Aufgrund der starken Repressalien war der aufgeflammte Widerstand schnell erstickt. „Es war keine Massenbewegung“, so die Potsdamer Lehrerin. Bretschneider berichtet, dass allein von der evangelischen Kirche des heutigen Landes Brandenburg 20 000 Aufnäher bestellt wurden. Der Pfarrer hebt die Bedeutung für den Mauerfall 1989 hervor: „Die friedliche Revolution ist nicht vom Himmel gefallen.“ Günter Schenke

Günter Schenke

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