
© A. Klaer
Muslime in Potsdam: Göttliches Gedränge
Die muslimische Gemeinde in Potsdam wächst und die Al Farouk-Moschee braucht dringend größere Räume. Ein Besuch beim Freitagsgebet.
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Potsdam – Mehr als 100 Paar Schuhe stapeln sich in den drei mannshohen Regalen in dem schmalen Eingang. An manchen klebt noch ein bisschen Schnee, einige sind achtlos in einer Ecke zusammengeschoben. Auch der Flur der schmucklosen Wohnung in der Straße Am Kanal ist voller Menschen, die kniend am Freitagsgebet des Vereins der Muslime in Potsdam teilnehmen. „Nutzt jede Ecke, Inschalla, so Gott will“, sagt der Imam Kamal Mohamad Abdallah und schiebt einen Gläubigen sanft zur Seite.
Seit Monaten herrscht in der Al Farouk-Moschee quasi Ausnahmezustand, da viele der Flüchtlinge, die seit dem Spätsommer nach Deutschland kamen, Muslime sind. So hat sich auch die Zahl der Mitglieder in dem Potsdamer Gotteshaus stark erhöht, die Moschee kann da nicht mehr mithalten. Besonders am Freitag reicht der Platz einfach nicht mehr aus. „Seit Längerem schon bieten wir jetzt zwei Gebete am Nachmittag an“, sagt Abdallah. Derzeit hat die Gemeinde rund 700 Mitglieder. „Vor einem Jahr waren es vielleicht halb so viele“, so Abdallah.
Keine Moschee in Brandenburg (Havel)
Schon länger dabei sind der 20-jährige Ali Adnan aus Somalia und der 19-jährige Ismail Cidibe aus Mauretanien. Die beiden waren bereits vor drei Jahren gemeinsam nach Europa geflohen und landeten in Brandenburg (Havel). Jetzt machen sie sich jeden Freitag auf den Weg nach Potsdam, um zu Allah zu beten. Es sei schon sehr eng hier, sagt Adnan, der mittlerweile als Erzieher in einem Heim für unbegleitete jugendliche Flüchtlinge arbeitet. Aber in Brandenburg gebe es keine Moschee und Berlin sei zu weit weg. Und es sei seine Pflicht zu beten, wenn er Zeit habe, fügt er hinzu. Cidibe, der als Hilfskoch arbeitet, nickt zustimmend.
Dass die Räume für ein Gotteshaus völlig ungeeignet sind, wird schon auf den ersten Blick klar. Direkt gegenüber des Eingangs hängen neben Angeboten für einen Sprachkurs zwei Wegweiser, die zum Gebetsraum für Frauen und zum Raum für die rituelle Waschung führen. Frei liegende Lautsprecherkabel hängen auf Kopfhöhe im Flur, ein dickes Heizungsrohr ist zu sehen, auch die Wände könnten einen neuen Anstrich vertragen. Dann knarrt es in den altersschwachen Boxen und der Muezzin ruft zum Gebet.
Gebet in deutscher Sprache
Es geht diesmal um gute und schlechte Taten und dass man auf sein Herz hören müsse. „Wenn aber das Herz verdorben ist, reicht auch das Wissen um Gut und Böse nicht aus“, heißt es etwa – gebetet wird in deutscher Sprache. Nach rund 20 Minuten ist das Gebet beendet und für kurze Zeit entsteht Chaos, als mehr als 100 Muslime versuchen, ihre Schuhe im schmalen Gang wiederzufinden, die Moschee zu verlassen und eines der bereitliegenden Lebkuchenherzen mitzunehmen, während die nächsten schon auf einen guten Platz in der Moschee drängen.
Später, im zweiten Freitagsgebet, spricht Abdallah von der Rolle der Frau im Islam und bezieht sich dabei auf die Diskussion nach der Silvesternacht in Köln, als sich dort rund 1000 Menschen am Bahnhof versammelten und weit mehr als 800 Straftaten begangen, Frauen sexuell bedrängt und teils auch missbraucht worden sein sollen. Der Potsdamer Imam fordert die Gläubigen auf, Frauen mit Würde, Höflichkeit, und Verständnis zu begegnen. „Sie zu beleidigen, zu schlagen, ihnen Unrecht zu tun, ist nicht mit dem Islam vereinbar“, betont er. Ähnlich hatte er sich Anfang der Woche auch in einem PNN-Interview geäußert. Es sei schwierig, wegen der vielen neuen Mitglieder die Gemeinde zu führen, räumt er nach dem Gebet ein. Anhänger radikaler Gruppen wie Salafisten seien ihm aber bislang nicht begegnet. „Auch wir sind ja gefährdet durch den Islamischen Staat (IS)“, betont er.
Richtige Moschee sei finanziell nicht machbar
Derzeit sucht die Gemeinde einen neuen Standort. Zuletzt habe die stadteigene Bauholding Pro Potsdam die Miete für die rund 100 Quadratmeter großen Räume um 200 Euro erhöht. Der Verein bezahle jetzt 1400 Euro pro Monat, so Abdallah. Zwar habe Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) seine Unterstützung angeboten. Die Stadt äußerte sich auf PNN-Anfrage jedoch dazu nicht.
Vielleicht könne man auch eine Wohnung kaufen, sagt Abdallah. Gerne wolle er auch eine richtige Moschee bauen, mit Minaretten. Das sei aber finanziell nicht zu machen. Die neuen Mitglieder bringen nämlich keine zusätzlichen Spendeneinnahmen für den Verein. „Die meisten sind Flüchtlinge und brauchen ihr Geld selbst“, sagt er und zuckt verständnisvoll mit den Schultern.
Stefan Engelbrecht
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