Landeshauptstadt: Gräbersuche mit Radar
Das älteste Potsdamer Gebäude, die Alte Kirche Golm, soll „Kloster auf Zeit“ und Meditationsraum werden
Stand:
Golm – Wie von Geisterhand gesteuert, folgt die Optik der Messstation dem Radargerät, das Urs Böniger auf dem Ziegelboden der Alten Golmer Kirche hin- und herbewegt. Zusammen mit Prof. Jens Tronicke, Geophysiker an der Universität Potsdam, untersucht der junge Wissenschaftler den Untergrund des ältesten zu Potsdam gehörenden Gebäudes. Jeder Punkt wird dabei millimetergenau kartiert.
„Was ist unter dem Boden? Das versuchen wir herauszufinden“, erklärt Tronicke. Mit ihren elektromagnetischen Messgeräten könnten sie zwei bis drei Meter tief „gucken“. Es handelt sich um ein Radargerät, das elektromagnetische Wellen in den Untergrund schickt, deren Reflexion misst und optisch auf einem Bildschirm darstellt. Gestern konnten die Forscher noch keine spektakulären Funde mitteilen; die Auswertung stehe noch aus. Vermutet werden unter anderem historische Grabstellen. Wie Pastorin Prof. Löhmannsröben erzählt, sei die Grabplatte der Stifterin Margarete von Gröben bereits im 19. Jahrhundert aus der alten in die neue Golmer Kirche überführt worden und gehört dort zu den wertvollsten Ausstattungsstücken. Die Platte zeigt Frau von Gröben mit einem Rosenkranz in der Hand sowie ihren Ehemann Claus von Schönow mit einem Schwert.
Die Untersuchungen der beiden Wissenschaftler sollen zur Erforschung der Kirchengeschichte in Golm beitragen. Neben möglichen Grabstellen sollen sie Aufschluss geben über die Bodenveränderungen durch frühere Fundamente, ohne Grabungen ausführen zu müssen. Die Kirche ist im Verlaufe ihrer über fünfhundertjährigen Geschichte mehrfach verändert und umgebaut worden. Davon sind zahlreiche äußere Spuren sichtbar.
Am 11. Oktober findet der 3. Golmer Tag der Archäometrie statt. Bei dieser Gelegenheit werden unter anderem die Ergebnisse der Radar-Untersuchungen vorgestellt. Zum Archäometrie-Tag sagt Löhmannsröben: „Unser Ziel ist es, Handwerker, Architekten, Denkmalpfleger und andere Interessierte, die einen Beitrag zur Geschichte und zur Restaurierung leisten können, zusammenzubringen.“ Löhmannsröben ist als ehrenamtliche Predigerin in der Kirchengemeinde Golm tätig, hauptamtlich ist sie Professorin an der Evangelischen Fachhochschule Berlin.
Die wissenschaftlichen Untersuchungen finden inmitten eines Konfliktes der Gemeinde mit der Kreissynode der evangelischen Kirche statt. Letztere will die Kirche, die in ihren ältesten Bauteilen aus dem Jahre 1458 datiert, verkaufen. „Wir verkaufen nichts“, lautet hingegen die konsequente Auskunft der Professorin, die sich darin völlig einig mit der Kirchengemeinde ist. Grund für die Verkaufsabsichten sei die Baufälligkeit insbesondere des Dachstuhls und die daher nicht mehr mögliche Nutzung. Für die Restaurierung, sie würde rund 600 000 Euro kosten, fehlen die Mittel. Die Gemeinde habe trotz aller Schwierigkeiten ein Konzept entwickelt, um das Denkmal künftig sinnvoll zu nutzen. Wir denken an ein „Kloster auf Zeit“, erklärt Löhmannsröben. In Zusammenarbeit mit den örtlichen Hotels will die Gemeinde die Kirche als Pilgerstätte und Meditationsort sowie für Veranstaltungen und Ausstellungen anbieten. Löhmannsröben: „Sie soll Raum der Stille und der Versöhnung für einen Ort sein, der vielfach tiefgreifenden Umwälzungen unterzogen war, nicht zuletzt durch die ehemalige so genannte Juristische Hochschule der Staatssicherheit der DDR in Golm.“
Für die Sanierung und Restaurierung setzt die Gemeinde auf die Unterstützung der Jugendbauhütte der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und auf den Bereich Denkmalpflege der Stadtverwaltung. Sowohl aus Eigenmitteln als auch aus Spenden will sie das Vorhaben finanzieren.
Günter Schenke
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: