
© Manfred Thomas
Weihnachtsmarkt in Potsdam: Grappa am Glühweinstand
Domenico Giacomino aus Perugia verkauft auf dem Weihnachtsmarkt Spezialitäten. Sein Restaurant musste er wegen der Krise schließen
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Die wichtigste Vokabel kann er schon: Glühwein. Auch dass Deutsche Espresso und nicht Caffè sagen, wenn sie einen kleinen starken italienischen Kaffee wollen, weiß Teodosio Giacomino schon. Das zweite Jahr in Folge steht der 25-jährige Italienier nun zusammen mit seinem Vater in einem Stand auf dem Potsdamer Weihnachtsmarkt. Sie sind aus Perugia, der Partnerstadt Potsdams, angereist und verkaufen Glühwein und Spezialitäten aus ihrer Heimat.
Teodosios Vater Domenico ist schon das neunte Mal mit einem Stand in der Brandenburger Straße vertreten. Maria- Luise Döring, die Vorsitzende der Brandenburgischen Gesellschaft der Freunde Italiens „Il Ponte“, habe eines Tages in seinem Restaurant in Perugia gesessen und man sei ins Gespräch gekommen, erzählt Domenico Giacomino. Irgendwann kam die Idee auf, umbrische Spezialitäten auf dem Potsdamer Weihnachtsmarkt zu verkaufen – und der Italiener sagte zu.
Deutsch kann er, weil er vor langer Zeit in Deutschland gearbeitet und mit seiner Frau einige Jahre am Bodensee gelebt hat. „In Konschtanz“, sagt er grinsend. Sogar Teodosio sei dort geboren, aufgewachsen ist er aber in Perugia.
Schinken, Wurst und typisch italienischen Käse haben Vater und Sohn mitgebracht. Auch die italenische heiße Schokolade verkaufen sie, die einen Deutschen eher an warmen Schoko-Pudding errinnert. Ebenso auf dem Tresen stehen Flaschen mit Grappa und dem Zitronenlikör Limoncello. Und natürlich Glühwein, weil der auf einem deutschen Weihnachtsmarkt eben nicht fehlen darf. In Perugia trinkt man „vino caldo“, warmen Wein, eigentlich nicht, genauso wie es dort auch keinen Weihnachtsmarkt gibt, wie Domenico Giacomino erzählt. Obwohl es die Temperaturen rechtfertigen würden – auch in Perugia ist es um diese Jahreszeit oft nicht mehr als drei oder vier Grad warm.
Für Domenico Giacomino ist der Potsdamer Weihnachtsmarkt ein willkommener Zuverdienst, zumal er kürzlich sein Restaurant schließen musste. „La Locanda Degli Artisti“ („Das Künstlergasthaus“), das er in der Nähe der Peruginer Innenstadt führte, rentierte sich nicht mehr. „Crisi“, sagt Domenico Giacomino traurig und zuckt mit den Schultern. Die Krise hat Italien fest im Griff.
Der Gastronom spielt sogar mit dem Gedanken, seiner italienischen Heimat ganz den Rücken zu kehren und ein Restaurant in Deutschland zu eröffnen. Aber nicht in Potsdam, hier sei die Konkurrenz zu groß, sagt er. Bad Kissingen hat er stattdessen im Auge, eine Kleinstadt in Unterfranken. Viele Einwohner hat sie nicht, aber dafür massenhaft Kurgäste, erzählt Giacomino.
Nach den Hürden der ausufernden deutschen Bürokratie gefragt, kann er nur lachen. „Ein Spaziergang, verglichen mit Italien!“, ruft er. Ein ganzes Jahr habe er in Perugia auf die Genehmigung für ein Café gewartet, mit dem Stand auf dem Weihnachtsmarkt hingegen sei das unproblematisch gegangen. Noch bis zum 29. Dezember stehen er und sein Sohn in der Brandenburger Straße, zwischen Dortu- und Lindenstraße. Die Standbetreiber links und rechts kennt man, und ja, das Verhältnis sei gut. „Mittlerweile“, räumt Domenico Giacomino ein. Am Anfang sei es ein wenig unterkühlt gewesen. „Ma gli abbiamo scolti“, sagt er, was so viel heißt wie „Wir haben sie geschmolzen“. Mit Grappa? Ja, sagt er und lacht, mit Grappa und Limoncello.
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