Landeshauptstadt: Griff nach den Sternen
Potsdamer Nachwuchswissenschaftspreis für Physiker Christian David Ott
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Dr. Christian David Ott ist sich seiner Sache sehr sicher. Gerade erst 30 Jahre geworden, hat er einen Mechanismus entdeckt, der die Entstehung von Sternexplosionen erklärt. Wenn seine Modelle sich durch Beobachtungen verifizieren lassen, hat er ein Rätsel geklärt, an dem sich die Wissenschaft seit Jahrzehnten die Zähne ausbeißt. Er weiß auch, dass er nach der Veröffentlichung in „Physical Review Letters“ bereits ein viel gefragter Nachwuchswissenschaftler ist. Doch als er in einem Coffeeshop in New York eine E-Mail von seinem Potsdamer Doktorvater Prof. Bernhard Schutz erhielt, die besagte, dass er den Potsdamer Preis für Nachwuchswissenschaftler erhält, war er schon ziemlich überrascht. Hatte doch sein Doktorvater vom Golmer Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik ihm gar nicht verraten, dass er ihn für den mit 5000 Euro dotierten Preis vorgeschlagen hat.
Das Hemd trägt er offen, darunter ein Lederbändchen um den Hals, das Jacket wirkt noch ungetragen. Aber der junge Physiker, der nach dem Studium in Heidelberg an der Potsdamer Uni promoviert hat, macht den Eindruck, als werde er schnell in seine Rolle als Top-Wissenschaftler hineinwachsen. Mittlerweile ist er an der University of Arizona. Wo er im nächsten Jahr sein wird, weiß er noch nicht. Die englischen Fachbegriffe kommen ihm eloquent über die Lippen, die Details seiner Entdeckung kann er allgemeinverständlich erklären.
Christian David Ott hat das Verenden so genannter massereicher Sterne genauer betrachtet. Er konnte zeigen, dass die Energie des Gravitationskollapses, der am Anfang einer Supernova steht, in akustische Wellen umgewandelt wird, die dann die Explosion des Sterns vorantreiben. „Ein viel versprechender und vollkommen neuer Ansatz“, wertet Doktorvater Schutz.
Das fand auch die sechsköpfige Jury, die aus hochrangigen Potsdamer Forschern bestand. Unter 22 eingereichten Arbeiten aller Fachrichtungen hatte sie für den erstmals verliehenen Nachwuchspreis die beste herauszusuchen. Ein Zufall schließlich, dass es ausgerechnet ein Thema der Astrophysik war, das zum Einsteintag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften gestern Abend im Nikolaisaal ausgezeichnet wurde. Letztendlich könnte der neue Ansatz auch dazu beitragen, den letzten Beweis von Einsteins Relativitätstheorie, die Messung von Gravitationswellen, zu erbringen.
Eine nichtlineare akustische Schwingung im Bereich von 600 Hertz ist es, die Ott für das Zustandekommen der Sternexplosionen mit Computermodellen ausgemacht hat. Das muss nun durch Beobachtungen belegt werden. Kein einfaches Unterfangen, finden doch für uns wahrnehmbare Supernova-Ereignisse nur etwa alle 40 Jahre statt. Grundlagenforschung also, die, und auch das weiß der junge Forscher, nicht ohne Anwendungsbezug bleibt. So würden die Rechenmethoden, die er mit Kollegen für die Simulation entwickelt hat, auch Verwendung bei Strömungsberechnungen im Windkanal oder beim Versickern von Grundwasser finden. „Und leider auch im militärischen Bereich“, ergänzt Ott.
Die 5000 Euro weiß der junge Forscher gut anzulegen. Vor allem für Reisen werde er das Geld benötigen, für Treffen mit Wissenschaftlern, aber auch für den Flug nach Berlin, wo seine Freundin lebt. Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs versteht den Preis auch als „Rückfahrkarte“. Forscher müssten für die Karriere hinaus in die Welt ziehen. Er wünsche sich aber, dass sie eines Tages auch dorthin zurückkehren, wo sie einst ihr Rüstzeug bekamen. Christian David Ott sagt, dass er gerne nach Potsdam zurückkehren würde. Allein der Mangel an festen Stellen für Forscher in der Zeit zwischen Promotion und Professur erschwere dem deutschen Nachwuchs den Verbleib im Lande.
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