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Zwei Potsdamer Studierende begaben sich auf Exkursion durch Ostafrika
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Auf einer staubigen Piste in einem überfüllten Minibus, das Kind der Nachbarin halb auf dem eigenen Schoss, schräg über dem Kopf baumeln Fische und unter dem Sitz kräht ein Hahn. Willkommen in Afrika! Solche Szenen erlebt man, wenn man fünf Wochen um den Viktoriasee durch Kenia, Uganda, Ruanda und Tansania reist fast täglich. Im siebten Semester Politikwissenschaft an der Universität Potsdam hatten wir uns für diese Exkursion entschieden. Im Herbst dieses Jahres dann fand die Studienreise in Ostafrika statt. Rund um den Viktoriasee sollte nicht nur der Alltag der Bevölkerung studiert, sondern auch verschiedene Projekte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit besucht werden.
In Uganda standen zwei Bildungsprojekte auf dem Programm. In Jinja erhalten mittellose (Aids-)Waisen Berufsausbildung. Unterstützt von der deutschen Bundesregierung können sie sich unter anderem zum Schreiner, Metallbauer oder Automechaniker ausbilden lassen. Das Projekt zeigt Erfolge: Die überwältigende Mehrheit der Absolventen findet nach Ausbildungsende einen Arbeitsplatz.
Weniger überzeugend erschien das zweite Bildungsprojekt. Eine Sekundarstufe, die von einer süddeutschen Schule privat finanziert wird. In den zwölf Jahren der Unterstützung gelang es nicht, die Schule an das Strom- und Wassernetz anzuschließen. „Jährlich bestehen Schwierigkeiten, die 10 000 Euro Projekt-Unterhalt aufzutreiben“, so der an der Schule lehrende Pater. Ein Blick in die staatlich finanzierte Schule nebenan, relativiert allerdings den Eindruck. Dort sind die Zustände noch viel schlimmer. Ugandas Regierung hat zwar die Schulpflicht für die Primarstufe durchgesetzt, aber dafür sitzen heute bis zu 100 Schüler in staubigen Klassenräumen in halb-zerfallenen Gebäuden.
An den Wänden des Schulgebäudes liest man: „Virginity is healthy“ (Jungfräulichkeit ist gesund) oder „Abstinence is good“ (Abstinenz ist gut). Ugandas Kampf gegen Aids ist allgegenwärtig. Heute beträgt die Aidsrate „nur“ noch sechs Prozent. Wenig, im Vergleich zu Swasiland etwa (39 Prozent). In Kalangala auf einer abgelegenen Insel mit einer anhaltend hohen Aidsrate von 25 Prozent, sprachen wir mit Ärzten und Betroffenen. Dank des Global Aids Fund ist heute der „Aidscocktail“ für jeden kostenlos zugänglich. Dieser Mix aus lebensverlängernden Medikamenten ist für Afrikaner in der Regel unbezahlbar. Trotzdem wird nicht jeder HIV-Positive behandelt: „Die Herausforderung besteht momentan darin, die Menschen davon zu überzeugen, einen Aidstest zu machen. Schließlich kann nur behandelt werden, wenn der Status feststeht“, ist vom Leiter der örtlichen Aids-Station zu erfahren. Vor allem Männer schrecken trotz zahlreicher Aufklärungskampagnen weiterhin vor dem Test zurück.
Auch im Süden Ugandas begegnet man der Aids-Aufklärung. In Nakivale wurde eine Flüchtlingssiedlung besucht. Das „Settlement“ wird seit 1959 von der UNHCR, einer Unterorganisation der Vereinten Nationen, unterhalten. Am Projekt beteiligt ist die Bundesregierung mittels der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ). Inmitten einer krisengeplagten Region (unter anderem Ruanda, Kongo, Burundi) erlebte Nakivale mehrere Kriege und zählt heute 27 000 Flüchtlinge aus acht Ländern. Die Ansiedlung unterscheidet sich von traditionellen Flüchtlingscamps, die zumeist temporäre Zeltstädte sind. Ansässige Flüchtlingsfamilien besitzen hier Grundstücke mit einfachen Lehmhäusern und die Möglichkeit Landwirtschaft zu betreiben. „Zudem haben alle Flüchtlinge Zugang zu kostenloser Gesundheitsversorgung, unter anderem Aids-Medikamente sowie Kondome, und erhalten eine monatliche Mindestration an Lebensmitteln, bereitgestellt vom World Food Programme“, erzählt der ugandische Leiter der Ansiedlung.
Und tatsächlich geht es den Flüchtlingen so gut, dass seit Bestehen der Siedlung nur wenige Tutsi-Familien wieder zurück nach Ruanda gezogen sind. Ein Anreiz oder gar eine Pflicht irgendwann ins Heimatland zurückzukehren besteht nicht. Der Eindruck ist ambivalent: Positiv, dass Flüchtlinge hier während jahrelanger Kriege ausharren können. Inakzeptabel scheint aber, dass unzählige Familien seit Jahrzehnten in Nakivale „subventioniert“ leben – obwohl ihre Heimat längst befriedet ist.
Als Fazit bleibt die Erkenntnis, dass die Abhängigkeit Ugandas von internationaler Hilfe ist sehr groß. Eingequetscht auf der Rückbank eines überfüllten Minibusses bestätigte dies ein Veterinär: „In Uganda geht es immer mehr Menschen besser – dieser Fortschritt basiert wesentlich auf internationaler Unterstützung“.
Heike Höß, Jan Sändig
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