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DIE GESCHICHTE: Große Akustik

Das Deutsche Filmorchester Babelsberg baut für 1,8 Millionen Euro seine alte Heimstätte in Potsdam aus

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Das Orchester wurde 1918 von der Ufa in Babelsberg als erstes Filmorchester Deutschlands gegründet und 1932 nach Einführung des Tonfilms den neuen Bedürfnissen angepasst. Fast unbeschadet überstand es die Zeit des Zweiten Weltkrieges und setzte 1946 seine Arbeit unter dem neuen Dach der Defa fort. Nach dem Verkauf der Studios nach der Wende waren das Orchester und seine Musiker zwischenzeitlich Teil der Brandenburgischen Philharmonie Potsdam. 1993 gründete es sich in seiner jetzigen Form und unter dem neuen Namen „Deutsches Filmorchester Babelsberg“ wieder – und hat seitdem hunderte Konzerte gegeben, zahllose Filmmusiken eingespielt und Soundtracks produziert.

Babelsberg - Es ist eine Rückkehr zum Ursprung – und dieser wird kaum anders aussehen als vor mehr als siebzig Jahren: Das Deutsche Filmorchester Babelsberg lässt seine alte, neue Heimstätte im Studio Babelsberg nahezu genau so herrichten, wie sie einst Otto Kohtz geschaffen hat. Der Architekt prägte das gesamte Erscheinungsbild der damaligen Babelsberg Traumfabrik der „Universum Film A.G.“ (Ufa) – so hat es Ralph Paschke vom Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege dokumentiert – und er entwarf 1933 bis 1935 auch das heute denkmalgeschützte Synchronatelier und „Klebehaus“, in die im Herbst das Filmorchester wieder einziehen wird. Dort spielte das Orchester bereits ab Mitte der 1930er Jahre bis 1990 die Musik für die Ufa- und später Defa-Filme ein.

„Wir werden nahezu den originalen Zustand wiederherstellen“, sagt Klaus-Peter Beyer, Intendant des Deutschen Filmorchesters Babelsberg. Sentimentale Gründe hat das allerdings nicht – besser als die Ufa könne man ein Aufnahmestudio eben kaum bauen, meint Beyer: „Die waren schon ziemlich perfekt damals.“ Der Bau habe „große Akustik“, so außergewöhnlich wie beispielsweise in den „Abbey Road“-Studios in London oder der „Newman Stage“ in Hollywood. Der Einbau von Hightech – außer bei der Aufnahmetechnik – sei da gar nicht nötig.

Rund 1,8 Millionen Euro kostet der Umbau des heute „Studio A“ genannten Gebäudes mit rund 400 Quadratmetern Fläche. Davon zahlen Bund und Europäische Union 1,5 Millionen Euro, das Filmorchester trägt 100 000 Euro aus eigener Tasche bei. Im Dezember wurde mit den Bauarbeiten begonnen, in guter Kooperation mit den Denkmalpflegern von Stadt und Land, wie Beyer betont. Mitte August soll das rund 70-köpfige Orchester das erste Mal am historischen Ort proben. Bisher residiert es im Berliner „Exil“ im ehemaligen DDR-Rundfunkhaus an der Nalepastraße. Dort müssen die Räume Ende September leer gezogen sein. Mit Wehmut erfüllt das Beyer aber nicht. „Wir bekommen hier ein viel besseres Instrument in die Hand“, sagt er. Dazu gehört nicht nur das traditionelle Flair – sogar das originale Eichenparkett wird wieder aufpoliert – sondern auch die Fülle an neuen Möglichkeiten. Auf der neu gebauten Regie-Empore sollen rund 100 Gäste wie auf einem Schiffsbug sitzend Studiokonzerte erleben können, auch Schulklassen seien als Besucher bei Proben sehr willkommen, so Beyer. Außerdem werde wie zu Ufa-Zeiten eine Leinwand installiert, auf die Filme projiziert werden können. „Scoring by Screening“ nennt sich die Möglichkeit, die Filmmusik zum laufenden Film einzuspielen – dass es sie künftig im neuen, alten Aufnahmestudio ständig geben wird, sei einmalig in Europa. Durch zwei Regieräume – einer analog, einer digital – werde es außerdem mehr Arbeitsplätze für die angehenden Filmkomponisten der direkt benachbarten Babelsberger Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) geben, die beim Filmorchester ihre praktische Ausbildung absolvieren. Eine ähnliche Kooperation strebe er auch mit dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) an, so Beyer.

Neben rund 70 fest angestellten Musikern beschäftige das Orchester bis zu 250 freie Mitarbeiter im Jahr. Ab Juni arbeiten sie beispielsweise an der neuen Komödie von Michael „Bully“ Herbig, außerdem für zahlreiche TV-Produktionen. Doch die Auftragslage des Filmorchesters könnte sich in Babelsberg weiter verbessern: Erste Kontakte zu Studio Babelsberg Motion Pictures (SBMP), dem Produktionsdienstleister des Studios, seien geknüpft. Dieser könne künftig den Produzenten, die in Babelsberg drehten, auch den Service anbieten, direkt vor Ort die Filmmusik einzuspielen. Eine vielleicht sogar für Hollywoodfilme attraktive Konstellation, denn die US-Studios bekommen mit dem neuen Filmförderfonds bis zu 20 Prozent Steuererlass auf Produktionskosten in Deutschland.

Der Standort Babelsberg scheint also zukunftsfähig für das Filmorchester – auch wenn er aussieht wie in den 1930er Jahren. „Mir geht es nicht darum, hier ein Denkmal zu setzen“, sagt Intendant Beyer. „Ich will eine sichere Zukunft für meine Leute.“

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